Die zwei Leben des Hotel Nicolay

ZELTINGEN-RACHTIG. Es waren die schlimmsten Tage in der Geschichte des Hotels und der Familie Nicolay. Kurz vor Weihnachten 1993 trat die Mosel über die Ufer, erreichte einen Höchststand von zwölf Metern (normal sind 2,50 Meter) und zerstörte fast das gesamte Hab und Gut. Die Nicolays mussten praktisch von vorn anfangen.

"Unser Weihnachtsessen waren Spiegeleier, die wir auf einem Campingkocher gebraten haben", sagt Küchenchef Johannes Nicolay immer noch bewegt. Und Vater und Chef Heribert fügt hinzu: "Das war schlimmer als Krieg!" Ein Jahr braucht die Familie, um das Hotel wieder aufzubauen. Bis alle Folgeschäden beseitigt sind, dauert es gar 15 Jahre. Die Nicolays erfuhren in der schweren Zeit aber viel Mitgefühl - vor allem von den Stammgästen, die zum Teil schon in dritter Generation nach Zeltingen kommen. Heribert Nicolay: "Ein Gast aus Belgien hatte für Weihnachten 1993 gebucht, kam aber nur bis zur Sperre. Er fuhr nach Belgien zurück und holte eine Flasche Rotwein, die er uns als Zeichen der Verbundenheit durch die Helfer zukommen ließ." Die Geschichte des Hotel Nicolay beginnt 1866 mit Johann Nicolay, der zunächst einen Gasthof für die Postkutschen-Reisenden der Linie Wengerohr-Bernkastel errichtet. 1881 übernachtet der erste Gast in der "Post", die dann 1902 offiziell zum Hotel wird. Damals - um die Jahrhundertwende - genießt das Haus bereits so einen guten Ruf, dass sich sogar der höchste Mann im Staat einfindet. "Der Kaiser hat 1901 seinen Geburtstag in unserem Haus gefeiert", erzählt Heribert Nicolay mit Stolz. Auch bei den Neuerungen war das Hotel immer weit vorn. In den 20er Jahren wurde ein Kino erbaut - bis in die 60er Jahre hinein das Einzige in der Region. Heribert Nicolay war es auch, der 1968 die Hotelbar errichtete und damit das Haus noch wertvoller machte. Heute verfügt das Hotel Nicolay über 53 Zimmer, darunter eine Suite mit 62 Quadratmetern Größe. Das Haus steht in zahlreichen Gourmet-Führern, aber das ist der Familie nicht wichtig. "Wir wollen die familiäre Atmosphäre mit den Gästen pflegen. Bei uns ist der Kunde König", erklärt Johannes Nicolay, der in drei Jahren das Geschäft übernehmen soll. Er wäre dann der fünfte Nicolay an der Spitze des Unternehmens. Dennoch ist das Hotel preisgekrönt, gilt unter anderem als anerkannter Ausbildungsbetrieb. "Einer unserer Auszubildenden hat beim Achenbach-Preis, den auch schon mal Fernsehkoch Tim Mälzer gewonnen hat, den vierten Platz in Rheinland-Pfalz belegt", freut sich Johannes Nicolay. Für das kommende Ausbildungsjahr sucht das Hotel Nicolay noch junge Menschen, die die Berufe Restaurantfachfrau, Hotelfachfrau oder Küche erlernen möchten. Weitere Projekte sind in den kommenden Jahren die Renovierung und Modernisierung der Hotelfront, sowie "die alte Postkutsche wieder zum Leben zu erwecken", hat sich Johannes Nicolay fest vorgenommen. Wird auch ihr Betrieb in mindestens der dritten Generation geführt oder ist älter als 100 Jahre? Dann melden Sie sich bei uns per Mail: mosel@volksfreund.de.

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