Einsatz bei ADAC-Luftrettung „Christoph 10“ Doc Caro fliegt jetzt auch von Wittlich aus zu ihren Einsätzen

Wittlich/Mülheim · Die Ärztin Carola Holzner, besser bekannt als „Doc Caro“, hat Hunderttausende Follower in sozialen Netzwerken. Auch in Talkshows ist sie kritischer Dauergast. Jetzt arbeitet sie bei der ADAC-Luftrettung Christoph 10. Aber wieso Wittlich?

 Marc Rammelsberg, Doc Caro und Ralf Bastgen von der ADAC-Luftrettung in Wittlich.

Marc Rammelsberg, Doc Caro und Ralf Bastgen von der ADAC-Luftrettung in Wittlich.

Foto: TV/Marc Rammelsberg

Manchmal kann er sich das Lachen nicht verkneifen, der Herr Lauterbach. Dann verlässt er seine Rolle des kritischen Mahners. Es scheint oft so, als sei dem SPDler das richtig unangenehm. Doch als diese tätowierte Ärztin mit markanter Kurzhaarfrisur bei Anne Will zur Lobeshymne ausholt, kann Lauterbach nicht anders. Damals wartet Lauterbach noch auf den Anruf von Olaf Scholz, der ihm mitteilen soll, dass er als Gesundheitsminister vorgesehen ist. Ein unverständliches Warten, findet die Ärztin. „Darf ich auch mal was dazu sagen, als jemand aus dem Gesundheitswesen?“, fragt sie – und legt los: „Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen – inklusive mir – wir würden uns sehr freuen, wenn Sie unser zukünftiger Gesundheitsminister würden!“

Lauterbach lächelt. Grinst verschmitzt. Zuppelt an seinem Jackett. Es scheint ihm wieder unangenehm zu sein. Nur wenige Sekunden fällt er aus der Rolle. Dann blickt er wieder angespannt. „Es gibt keinen, der das so ausfüllen könnte wie Sie, so kompetent“, legt die Ärztin nach, appelliert an Olaf Scholz, anzurufen – und bringt den Mahner wieder zum Lächeln. Wenige Tage später ruft Scholz an. Ausgang bekannt. Lauterbach ist Gesundheitsminister.

Die Frau, die den Mahner zum Lachen brachte, ist Dr. Carola Holzner. Besser bekannt als – und deshalb nennen wir sie in diesem Text auch öfter so – Doc Caro. Ärztin, Bloggerin, Beststeller-Autorin, Talkshow-Dauergast – und seit vergangener Woche Teil der ADAC Luftrettung Christoph 10 in Wittlich. Wie es zu ihrem neuen Job kam, dazu später mehr. Zunächst bleiben wir bei Caro und Karl, die einiges gemeinsam haben.

Doc Caro: Stern TV, Berühmtheit und Morddrohungen

Karl Lauterbachs Leben änderte sich aufgrund der Corona-Pandemie. Bei Doc Caro geschieht das schon früher. Im Juli 2019 sendet Spiegel TV eine zweiteilige Dokumentation über Holzner und ihren Kollegen Sven Büchner. Titel: „Emergency Room Essen – Warten bis der Arzt kommt“. Gezeigt wird Holzners Alltag als leitende Oberärztin im Zentrum für Notfallmedizin im Universitätsklinikum Essen.

Davon, dass sie bekannt wird, bekommt sie zunächst nichts mit, erklärt Holzner im Gespräch mit unserer Zeitung: „Ich habe immer mal wieder zugespielt bekommen, wenn mich jemand dort erkannt hat. Zunächst hat sich mein Leben erst einmal nicht geändert.“

Dann setzt jedoch ein schleichender Prozess ein. Wenig später beginnt sie auf YouTube, Facebook und Instagram Webvideos zu produzieren. Mit großem Erfolg baut sich Holzner auf, was junge Leute heute „Fanbase“ nennen. „Heute kommen dann schon Leute auf mich zu und fragen nach Fotos – das ist für mich ganz surreal“, erklärt die 39-Jährige. Klar sei aber: „Ich bin Ärztin. Wenn jemand bei mir im Schockraum liegt, dann kann man sich darauf verlassen, dass ich keine Instagram-Story mache, sondern den Patienten behandele.“

Wenn sie nicht im Schockraum arbeitet, dann sitzt Doc Caro in Talkshows. Alles beginnt mit Stern TV, gefolgt von Markus Lanz. Corona befeuert diese Auftritte. Laschet, Palmer, Lauterbach, Streeck – die Liste derer, denen Holzner oftmals als „Stimme fürs Gesundheitswesen“ gegenübertritt, ist lang. Der Preis: „Man gibt seine Anonymität auf“, sagt sie. 255.000 Menschen folgen der kurzhaarigen Ärztin bei Facebook, 187.000 bei , 36.000 bei . Sie ist längst nicht mehr nur Ärztin.

Das spürt Holzner nicht nur positiv. Sie erhält in den „sozialen“ Netzwerken eine Menge Gegenwind, bis hin zu Morddrohungen. Eine weitere Parallele zwischen Caro und Karl. Den ersten Shitstorm erntet sie Mitte 2020, als sie eine Lunge postet, die vom Coronavirus gezeichnet ist. „Ich war das alles nicht gewohnt, dass man plötzlich Gegenwind bis hin zu Gewalt- und Morddrohungen erhält“, sagt sie heute. Wie damit umgehen? „Es gibt da zwei Wege“, erklärt Doc Caro, „entweder man hört auf und versteckt sich, oder man nutzt seine Reichweite und lässt sich nicht runterziehen.“

Holzner entscheidet sich für Letzteres. Liest mittlerweile keine Kommentare mehr. Alles, was bedroht, wird strafrechtlich verfolgt. Holzner bleibt in der Öffentlichkeit aktiv. Und bleibt dennoch vor allem eines: Ärztin.

Wittlich, Familie und die Besonderheit des Fliegens

Seit zwölf Jahren fährt Dr. Carola Holzner Einsätze als Notärztin. Etwas, das sie in ihrer Laufbahn aber immer interessiert habe, sagt sie, sei jedoch die Luftrettung gewesen. Über die ADAC Luftrettung kommt sie an ein Praktikum in Ingolstadt. Sie schnuppert rein. Es gefällt ihr. Sie erhält die Möglichkeit, sich als Hubschrauberärztin ausbilden zu lassen. Für Wittlich spricht vor allem der Standort: „Das ist mit dem Auto gut zu erreichen“, erklärt sie. In Mülheim an der Ruhr lebt Holzner mit Mann und Kindern. „Mein Mann unterstützt mich dabei total.“

Nun beginnt für die 39-Jährige also eine neue Ausbildung. Eine, die sich vor allem technisch von dem unterscheidet, was sie kennt: „Medizinisch gibt es keine großen Unterschiede“, sagt sie. Aber man könne „nicht mal eben rechts ranfliegen, wenn der Zustand des Patienten sich verändert“. Zwei bis drei Dienste wird Doc Caro künftig monatlich in Wittlich absolvieren. „Fliegen ist schon was ganz Besonderes“, sagt sie.

Die Akklimatisierung in Wittlich scheint reibungslos verlaufen zu sein. Auch wenn die Mülheimerin etwas auf ihren ersten Flug warten musste: „Wittlich hat sich nicht sonderlich viel Mühe gegeben, mich mit Sonne zu begrüßen“, scherzt sie über den Nebel, der Anfang der Woche über der Region liegt. Doch schon nach zwei Tagen bezeichnet Holzner die ADAC Luftrettung Christoph 10 auf Instagram als „meine neue Liebe“ und die Region, über die sie künftig fliegt, als „wunderschön“. Zwar habe man während des Einsatzes kein Auge dafür, aber: „Auf dem Weg zum Einsatzort bekommt man schon einiges mit.“

Doc Caro: Corona, #allesdichtmachen und die Diskussion um eine Impfpflicht

Wenn Doc Caro eines nicht gerne tut, dann ist es Schweigen, wenn man sprechen sollte. Und während der Corona-Pandemie gibt es einiges, über das man ihrer Meinung nach sprechen sollte. Ein Grund, wieso die 39-Jährige immer wieder in Talkshows zu sehen ist. „Aber man sollte nicht glauben, dass das leicht ist, wenn man sich an einem Sonntagabend live hinsetzt und spricht“, sagt sie. Und leicht macht es sich Doc Caro nicht. Sie hält dagegen. Sagt, wenn ihr etwas nicht passt. Beispiel: Die Kampagne #allesdichtmachen, mit der Schauspieler wie Jan-Josef Liefers im April dieses Jahres satirisch darauf aufmerksam machen wollen, wie schlimm der Lockdown ist. Holzner postet ein Gegenvideo. „Ihr habt eine Grenze überschritten“, sagt sie, „Zynismus, Sarkasmus und Ironie sind aktuell nicht nur nicht angebracht, sondern ein Schlag ins Gesicht für uns alle.“

Auf Facebook hat das Video bis heute 2,3 Millionen Aufrufe. Doc Caro ruft den Gegenhashtag #allemalneschichtmachen ins Leben. Und diskutiert wenig später mit dem Organisator, Regisseur Dietrich Brüggemann, bei Stern TV.

Erst vor wenigen Wochen sorgt die Ärztin, die zwischenzeitlich auch das Wort „mütend“ (eine Mischung aus müde und wütend, als Beschreibung der Gefühle vieler in der Corona-Pandemie) wieder en vogue gemacht hat, wieder für Aufregung. Thema diesmal: die Impfpflicht. „Ich habe bereits am 9. November das Thema einer generellen Impfpflicht angesprochen“, sagt sie. Doc Caro macht keinen Hehl daraus, dass sie für eine Impfpflicht ist. Gleichzeitig nutzt sie das Thema jedoch auch, um klare Worte an ihre Kolleginnen und Kollegen zu richten: „Natürlich gibt es für die Pflege vieles zu verbessern. Aber, und das ist nicht nur meine Meinung, wir sind teilweise mehr damit beschäftigt, uns zu beschweren, als die positiven Dinge hervorzuheben. Dadurch erscheint der Job unattraktiv. Wie sollen wir da Nachwuchs gewinnen?“

Vor allem für Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund einer möglichen Impfpflicht über einen Berufswechsel nachdenken, hat sie kein Verständnis: „Ich lasse mir davon doch nicht meinen Job kaputt machen. Wenn jemand mich fragt: ‚Impfung oder Jobwechsel?’, dann gibt es da nix zu diskutieren. Ich liebe meinen Job.“

Spiegel-Bestseller, Dankbarkeit und unterschätzte Kollegen

Diese Liebe zu ihrem Beruf thematisiert Doc Caro auch in ihrem Buch, das sie als „Herzensprojekt“ bezeichnet. In „Eine für alle – Eine Notärztin zwischen Hoffnung und Wirklichkeit“ beschreibt sie ihren Alltag in der Klinik. Schonungslos. Direkt. Wie sie selbst sagt, „nicht zum Nebenher-Einschlafen“. Sie berichtet von anstrengenden Einsätzen und Patienten, kritisiert kunstvoll die Strukturen im Gesundheitswesen und verarbeitet damit ganz nebenher jede Menge eigener Erfahrungen. „Jeder, der im medizinischen Bereich arbeitet, erlebt sehr viel“, sagt sie. Ganz oft denke man: „Das glaubt mir doch keiner“, und schreibe die Dinge deswegen sicherheitshalber auf. Holzner führt jahrelang Tagebuch. Als das Angebot zum Schreiben des eigenen Buches eingeht, zögert sie nicht. Mit Erfolg. Ihr Werk schafft es auf Platz eins der Spiegel-Beststellerliste. Persönliches zu verarbeiten und damit erfolgreich zu sein – für Holzner gibt es dafür nur ein Wort: „Dankbarkeit.“

 Das Buchcover zu "Eine für alle" von Dr. Carola Holzner

Das Buchcover zu "Eine für alle" von Dr. Carola Holzner

Foto: Fischer Verlag

Dankbar, und das ist Carola Holzner besonders wichtig, ist die 39-Jährige vor allem einer Berufsgruppe: dem Rettungsdienst. Nicht nur in ihrem Buch, sondern auch im Gespräch mit unserer Zeitung wirbt sie für mehr Aufmerksamkeit diesem Beruf gegenüber: „Das sind doch diejenigen, die zuerst am Einsatzort sind“, sagt sie, „die bringen mir die Patienten doch erst ins Krankenhaus. Der Rettungsdienst erhält zu wenig Aufmerksamkeit in der Gesellschaft.“

Über zu wenig Aufmerksamkeit kann sich Doc Caro nicht beschweren. Wie auch Karl Lauterbach nicht. Denn der ist nun Gesundheitsminister. „Und das ist ganz wichtig“, sagt Holzner. Wenn Karl Lauterbach das liest, wird er vielleicht lächeln.

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