Dorfgeschichte digital entdecken

An der Chronik seines Heimatortes Trittenheim arbeitet Christoph Schmitt schon seit Jahren. Nachdem sein berufsbedingter Umzug und die offene Finanzierung die Realisierung hinausgezögert hatten, soll das Werk nun ausschließlich digital erscheinen. Der TV stellt den im Nordschwarzwald lebenden Heimatforscher vor.

Trittenheim. (urs) Die Geschichte seines Heimatortes fesselt Christoph Schmitt seit frühester Jugend. Schon als Schüler interessierte er sich für Trittenheim und die vom damaligen Ortsbürgermeister Hans Gerwalin verfassten Texte über das Dorf und seinen berühmten Sohn, den Humanisten Johannes Trithemius (1462-1516). Dieser hatte als Abt von Sponheim eine einzigartige, mehr als 2000 Bücher umfassende, Bibliothek eingerichtet. Selbst an Schmitts neuem Wirkungskreis hat Trithemius Spuren hinterlassen. Das Kloster St. Peter und Paul in Calw-Hirsau verdanke dem späteren Würzburger Abt eine große Klostergeschichte, erklärt der Dekanatsreferent und Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung Nördlicher Schwarzwald.

Schmitts Begeisterung für die Trittenheimer Geschichte weckten auch Recherchen für die 1100-Jahr-Feier des Ortes 1992. Für seinen Beitrag über Engelbert Schue, 1772 in Trittenheim geborener Priester mit Lehrstuhl am Priesterseminar, konnte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Theologischen Fakultät Trier das dortige Archiv nutzen. "Damals entdeckte ich die Lust am Entdecken", erinnert sich der 48-Jährige. Außerdem habe er für sich persönlich einen neuen Schreibstil entdeckt. Denn während er bis dahin ausschließlich "wissenschaftlich akribische" Texte verfasste, wollte er nun das Interesse möglichst vieler Menschen wecken.

Mit den Jahren kamen so viele Texte über Trittenheim, auch Geburtsort des 1906 im Ortsteil Dhrönchen geborenen Schriftstellers Stefan Andres, zusammen. Schmitt schrieb über die Hintergründe der Pestkreuze, Bildstöcke von 1654, und erstmals über die Geschichte der jüdischen Bürger. Spannend sei die Auswertung des Herz-Jesu-Bruderschaftsbuches mit Hunderten von Namen und Ortsangaben gewesen. Außerdem habe ihn der Trithemiusdruck von einem Augsburger Kanoniker des 16. Jahrhunderts über Würzburg nach Trittenheim geführt. Ein Motor seiner Leidenschaft sei sein Studium der Theologie und Philosophie. Auch dabei sei es "um Geschichte und das Verstehen des Geschichtlichen" gegangen. Aber auch für die Erwachsenenbildung sei es wichtig, Zusammenhänge zu verstehen.

Wünschen würde sich Schmitt vor allem mehr Zeit. Es gebe so vieles zu erforschen. So etwa die Kirchenraumpädagogik, die Lehre vom Sinngehalt von Kirchengebäuden, oder die Geschichte der Katholiken im Nordschwarzwald, mit der er sich aktuell beschäftigt. Daher ist er froh, bei den Chronik-Vorarbeiten auf ein Team um Marlene Bollig und Elmar Kaufmann vertrauen zu können, die vor Ort die Fäden koordinieren. Denn neben Schmitts Beiträgen sollen auch andere Texte einfließen sowie Beiträge zum Dialekt, Bilder, Karten und Kurzfilme. Da all das unmöglich "zwischen zwei Buchdeckel" zu packen gewesen wäre, hatte er die Idee für die digitale Chronik, in der diverse Medien spannend präsentiert werden sollen. Vor allem jüngere Leute fühlten sich davon eher angesprochen als von einem Buch, ist der "Büchernarr" mit Passion für alte Werke überzeugt. Außerdem hofft er, dass so "das ganze Dorf" an der eigenen Geschichte fortschreiben wird. Eine Chronik lebe ja auch vom Erzählen, von Bildern und von verschiedensten Zeitdokumenten.

EXTRA

Chronik Trittenheim: Ein erstes Konzept für die Trittenheimer Chronik hatte Schmitt 1995 entworfen. Neben einer Chronologie sieht es Schwerpunkte vor wie Ersterwähnung, Prümer Urbar (Güterverzeichnis des Benediktinerklosters), Grundherrschaften, Kirchen-, Wirtschafts-, jüdische Geschichte, Vereine. Neugier sollen mehrere Ebenen wecken: Eine Zeitleiste mit Kurzinformationen, Bildern, Videos, Audiodateien für den schnellen Überblick, eine Ebene mit umfangreicheren Texten und weiterführenden Links sowie eine Ebene, die zu Original-Quellen führt, zu Karten oder Datenbanken wie mit historischen Häuseraufnahmen. Die Chronik soll etwa 15 000 Euro kosten, zu denen die Gemeinde 5555 Euro aus dem europäischen Leader-Programm erhält. (urs)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort