Nahversorgung 87 Jahre Nahversorgung in Minderlittgen enden bald

Minderlittgen · Einkaufen vor der Haustüre: Ab dem 1. Dezember müssen die Einwohner der Gemeinde Minderlittgen auf diese Annehmlichkeit verzichten und für ihre Besorgungen künftig nach Wittlich oder Manderscheid fahren.

 Ladeninhaberin Angela Simon (von links) gibt aus finanziellen Gründen nach zehn Jahren auf. Kunden wie die 82-jährige Helga Offers werden den Dorfladen in Minderlittgen sehr vermissen.

Ladeninhaberin Angela Simon (von links) gibt aus finanziellen Gründen nach zehn Jahren auf. Kunden wie die 82-jährige Helga Offers werden den Dorfladen in Minderlittgen sehr vermissen.

Foto: Christian Moeris

Frische Brötchen, Aufschnitt oder ein Paket Butter: Wer in Minderlittgen plötzlich feststellt, dass ihm etwas zum Kochen Backen, Frühstück oder Abendbrot fehlt, der hat es dort derzeit noch recht bequem.
Denn in Gela’s Lädchen an der Ortsdurchfahrt bekommt man alles, was man zum Leben braucht – und wahrscheinlich noch ein bisschen mehr. Doch mit der Nahversorgung in der 700-Einwohner-Gemeinde Minderlittgen ist zum 1. Dezember Schluss. Ladeninhaberin Angela Simon (65), die sich 2008 mit der Übernahme des Dorfladens einen Lebenstraum erfüllte, gibt nach zehn Jahren auf.

Damit ist in Kürze nicht nur die Nahversorgung in Minderlittgen Geschichte, sondern endet auch eine 87-jährige Tradition, die im April 1931 mit der Eröffnung des Geschäfts „Kolonialwaren Karl Konrad“ begann.

Sie habe lange mit sich und der Entscheidung gerungen, sagt die 65-jährige Ladeninhaberin, die sich selber lieber „Gela“ als Angela nennt. „Es lohnt sich aber nicht mehr und ich kann nicht für nichts hier stehen“, sagt sie, während sie nach Fassung ringt.

Doch wie konnte der Dorfladen in Minderlittgen in finanzielle Schieflage geraten?

In den zwei vergangenen Jahren sei der Umsatz rückläufig gewesen, weil die Zahl der Kunden abgenommen habe. Simon spricht über ihre finanzielle Misere ganz offen: „Früher hatte ich zwischen 110 und 130 Kunden im Monat. Jetzt sind es nur noch etwa 75.“ Monatlich würden ihr mittlerweile Einnahmen in Höhe von 1500 Euro Netto fehlen. „Einnahmen, die ich früher hatte.“

Doch ihre Kunden würden ihr buchstäblich wegsterben, sagt die 65-Jährige. „Das tut mir sehr leid. In Minderlittgen hatten wir in diesem Jahr elf Todesfälle. Das waren alles Kunden von mir.“
Der Großteil ihrer Kunden seien Senioren, sagt Simon. „Die jungen Einwohner kommen zwar auch, aber meistens nur, wenn sie bei ihren Einkäufen etwas vergessen haben.“

Kein Wunder, dass sich Gelas Lädchen in Minderlittgen insbesondere beim älteren Publikum großer Beliebtheit erfreut, denn die 65- Jährige liefert ihre Waren in Minderlittgen „kostenlos“ nach Hause.

„Vielleicht hab ich da auch ein zu großes Herz gehabt“, sagt Simon. „Aber die ältere Generation weiß das zu schätzen.“

Kunden wie die 82-jährige Helga Offers, die allerdings noch selbst zum Einkaufen in den Laden an der Ortsdurchfahrt kommt. Sie stellt einen vollen Einkaufskorb auf die Ladentheke. Joghurt, Milch, Fleisch, Nudeln, Brot und oben ragt eine Stange Porree aus ihrem großen geflochtenen Einkaufskorb. „An Grundnahrungsmitteln bekommt man hier alles. Das ist das Schönste, was es bei uns gibt. Wir werden den Laden sehr vermissen – insbesondere zur Weihnachtszeit, weil man hier viele Backzutaten bekommt.“ Sie komme in der Woche mindestens zwei mal zum Einkaufen, sagt die 82-Jährige, die ihre Einkäufe mit dem Auto erledigt. „Künftig muss ich für alles nach Wittlich fahren.“

Davor graust es auch dem jungen Kunden Matthias Simon (33), der mit seinem neun Monate alten Sohn Theo kurz vor Feierabend den Laden betritt, um Zwieback und Bananen für seinen Sohn zu kaufen. „Das wird ein herber Verlust für Minderlittgen. Hier gibt es frische Brötchen, Wurst und Käse. Es ist so praktisch, wenn man zwischendurch etwas braucht. Künftig, wenn man für alles nach Wittlich fahren muss, muss man die Einkäufe besser planen.“

Dazu muss man sagen: Mit dem Auto ist die Distanz von nur sieben Kilometern zu den Wittlicher Supermärkten ein Katzensprung. Zu Fuß oder mit dem Rad und mit Einkäufen bepackt ist die steile und serpentinenreiche Strecke von Minderlittgen hinab nach Wittlich und zurück wohl eher eine Tortur.

Doch vor allem die jüngere Generation, sagt der 33-Jährige, wisse den Dorfladen nicht so richtig zu schätzen. Seine Schließung werde allerdings auch die Vereine treffen, sagt Kunde Simon, der zugleich Vorsitzender der Spielvereinigung Minderlittgen-Hupperath ist. „Die Vereine im Ort bekommen von Gela’s Lädchen Getränke auf Kommission und Brötchen geliefert. Es wird alles hingebracht und abgeholt. Das wird uns sehr fehlen.“

Trotz ihrer treuen Stammkunden, sagt die Ladeninhaberin, reiche der Umsatz und Gewinn des Lädchens  nicht aus, sagt die Ladeninhaberin, die mit dem Jahreswechsel ihre Rente bekommt und zudem im neuen Jahr zusätzlich noch einen 450-Euro-Job antreten möchte.

 Wo im April 1931 Karl Konrad seinen Kolonialwarenladen eröffnete, schließt in Minderlittgen zum 1. Dezember 2018 Angela Simon ihren Dorfladen.

Wo im April 1931 Karl Konrad seinen Kolonialwarenladen eröffnete, schließt in Minderlittgen zum 1. Dezember 2018 Angela Simon ihren Dorfladen.

Foto: Christian Moeris

Angela Simon: „Ich hätte  gerne weiter gemacht. Aber meine Kunden können verstehen, dass ich hier nicht umsonst stehen kann und besser die Notbremse ziehe, bevor es noch weiter bergab geht.“

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