Dr. Kästners Blick auf die Welt

Die Welt ist rund. Man geht auf Reisen, damit sich die Nervosität verliert. Mit einer Zeitreise ganz ohne Nervosität bereitete der Aachener Kabarettist Hans Georgi seinem Starkenburger Publikum einen unvergesslichen Abend auf einer heiter-besinnlichen Fahrt durch das Leben von Erich Kästner.

 Kabarettist Hans Georgi nähert sich dem Leben Kästners in Sprache und Musikalität. Fotos: privat

Kabarettist Hans Georgi nähert sich dem Leben Kästners in Sprache und Musikalität. Fotos: privat

 Das Publikum folgt Georgis Kästner-Interpretation gespannt.

Das Publikum folgt Georgis Kästner-Interpretation gespannt.

Starkenburg. (red) Die Welt, die sich da auftat, ging weit über die Leseerfahrungen der aufmerksam lauschenden Zuhörer - überwiegend aus der Generation 50plus - hinaus: Emil und die Detektive, Pünktchen und Anton, Das fliegende Klassenzimmer und Das doppelte Lottchen - die vier wohl bekanntesten seiner insgesamt 21 Kinderbücher. Wie sich an dem Abend herausstellte, zog sich der gesunde Kinderverstand des Schriftstellers, Gebrauchslyrikers, Theaterkritikers, Kabarettisten und Kulturjournalisten Dr. phil. Kästner durch seine gesamten Lebenswerke hindurch.

Hans Georgi zeichnet sein Alter ego Kästner in witzigen, pointenreichen Bildern, wobei er dessen Texte musikalisch untermalt. Ein Kästner kommt zum Vorschein, der eine grundtiefe Neugier und Offenheit auf und für alles Neue zeigt.

Als 1933 die runde Welt erst anfängt "zu eiern", dann ins Trudeln und schließlich aus den Fugen gerät, empfindet er eine tiefe Abneigung gegen das Nazitum. Seine Kritik am Krieg, seine Klage über die Not der Armen auf der einen Seite und seine Entlarvungen der Ausschweifungen der Wohlhabenden auf der anderen Seite erregen den Ärger der neuen Herrscher. Und so erlebt er den 10. Mai 1933, als in Berlin auch seine Bücher auf den Scheiterhaufen geworfen werden.

Seit Mitte 1945 lebt Erich Kästner in München. Über die Jahre holen ihn, den eigentlich Unpolitischen, die mit der Politik einhergehenden Auswirkungen ein. So warnte er schon in den Sechzigern vor dem Aufleben der NPD. Hans Georgi beschreibt Kästners Teilhabe an der Eröffnung des Kabaretts "Die Schaubude", verweist auf die gesellschaftskritischen Gedichte und seine satirischen Gedanken zum Weltgeschehen, und gleitet leise über in die Jetzt-Zeit: zieht Vergleiche, verteilt politische Spitzen, nennt ihn "zeitaktuell". Als Erich Kästner am 29.7.1974 in München stirbt, ist er nicht mehr die unerwünschte Person aus dem Nazireich, sondern hat sein Lebensziel, berühmt und bekannt zu werden, noch zu Lebzeiten erreicht. Vielleicht lässt ihm die heutige Jugend neben Harry Potter eine Chance, entdeckt zu werden. Kästner spricht garantiert ohne erhobenen Zeigefinger und Mobbing, und das mit einem tiefgründigen, lebensweisen Humor.

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