Landwirtschaft Zukunftsforscher prophezeit magere Jahre

Wittlich · Manfred Kern appelliert bei der Dreikönigstagung des Bauern- und Winzerverbandes in Wittlich an die Landwirte, planvoll zu handeln. Sein Tipp: Sie sollen sich ein zweites Standbein schaffen.

 In Deutschland ist es kaum möglich neue landwirtschaftliche Flächen zu erschließen. Zukunftsforscher Manfred Kern rät in Polen zu investieren.

In Deutschland ist es kaum möglich neue landwirtschaftliche Flächen zu erschließen. Zukunftsforscher Manfred Kern rät in Polen zu investieren.

Foto: dpa/Jens Büttner

„Wird der Landwirt in Deutschland noch gebraucht?“ hat der Bauern- und Winzerverband auf seiner Dreikönigstagung in Wittlich gefragt. „Ja, wird er, wenn man ihn lässt. Man lässt ihn aber nicht,“ ist die Antwort des Fachreferenten, Biologie- und Zukunftsforschers Manfred Kern, der zu diesem Thema eingeladen war.

Bevor er zu konkreten Handlungsempfehlungen kommt, verdeutlicht Kern das aktuelle Szenario der weltweiten Landwirtschaft in einer Präsentation und stellt fest, dass Deutschland theoretisch auch ohne Landwirtschaft denkbar sei und warnt vor Russland, das auch wegen des noch immer gültigen EU-Embargos wegen der Ukraine-Krise in den vergangenen Jahren seine Landwirtschaft umfassend modernisiert habe und damit eine Konkurrenz auf dem Weltmarkt darstelle. Insofern würde die deutsche Landwirtschaft letztlich den Preis für den Russland-Boykott bezahlen. Bis 2025 sei mit einer Bevölkerung von acht Milliarden Menschen zu rechnen. Kern: „Bis dahin muss die Zahl der Grundnahrungsmittel verdoppelt werden. Wir hatten sieben fette Jahre, nun kommen sieben magere Jahre.“ 2050 sei gar mit 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde zu rechnen. Bis dahin würden 50 Prozent der landwirtschaftlichen Warenströme global laufen, was die Forderung nach regionalen Produkten infrage stellen würde.

Während in Äthiopien Menschen verhungern, sei in Europa das Thema Ernährung eine Ersatzreligion geworden. Nicht einmal jeder vierte Deutsche koche täglich. Die größte Wachstumsrate habe der Sektor Tiernahrung, der Futter in Lebensmittelqualität herstelle.

Dafür werde in Deutschland eine landwirtschaftliche Produktionsfläche in der Größe mehrer Bundesländer benötigt. Kern: „Wenn die Katzenmilch teurer gehandelt wird als Trinkmilch, dann stimmt etwas nicht. Zehn Prozent der landwirtschaftlichen Ressourcen in Deutschland werden von Hunden und Katzen weggefressen.“

Zudem würden immer mehr landwirtschaftliche Flächen wegfallen, weil die städtischen Siedlungsgebiete sich immer mehr ausbreiten. Das Argument „Wohnungsknappheit“ schlage nun einmal alle Gegenargumente. „Und was machen die Eigenheimbesitzer? Sie legen vor ihren Häusern verschotterte Beete an, womit der Boden noch mehr verdichtet wird,“ klagt Kern. Es sei eben in Deutschland schwierig, über Boden zu diskutieren. Vor dieser Problemlage hat der Zukunftsforscher dennoch ein paar Handlungsempfehlungen für die Landwirte parat. Wichtig sei es, ein besonderes, eigenes Produkt zu entwickeln, kostengünstige Logistik und Verkauf über das Internet zu nutzen, Böden anzukaufen und auf regenerative Energie zu setzen. Auch die Anlage von Gewächshäusern, die Produktion von Hunde- und Katzenfutter sowie Investitionen in Polen, sofern vor Ort keine Flächen zur Verfügung stehen. Außerdem lohne sich die Schaffung eines zweiten Standbeins neben der Landwirtschaft, zum Beispiel die Schaffung einer „Event Location“ oder die Einrichtung von Ferienwohnungen.

Mit Blick auf die Entwicklung des Ölpreises empfiehlt Kern alternative Energien, mit denen Maschinen angetrieben werden können. So gebe es bereits elektrisch betriebene Traktoren und Landmaschinen. Kern: „Die Technik ist da.“ Wichtig sei es, jetzt bereits einen Plan für die Jahre bis 2025 und 2030 zu entwickeln.

Manfred Zelder, Vorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes Bernkastel-Wittlich, erinnert daran, dass die deutsche Landwirtschaft eine der besten weltweit sei. Deshalb solle man an der Zukunft arbeiten.

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