Drogen bis zum Umfallen: Notarzteinsatz hinter Gittern in Wittlich wegen gefährlicher Rauschmittel

Wittlich · Neun junge Gefangene rauchen vermutlich sogenannte „legal highs“. Die vermeintlich harmlosen Kräutermischungen haben starke Nebenwirkungen: Der Notarzt muss in die Wittlicher Jugendstrafanstalt kommen, zwei Insassen müssen ins Krankenhaus. Die gefährlichen, noch legalen Drogen oder auch andere psychoaktive Substanzen sind auch hinter Gittern ein Problem.

Drogen bis zum Umfallen: Notarzteinsatz hinter Gittern in Wittlich wegen gefährlicher Rauschmittel
Foto: Frank Göbel

Was ist denn da passiert? Eine Nachricht an die Redaktion klingt dramatisch: "Was hier in der Stadt passiert ist: Kinder, Jugendliche sterben fast an Kräutermischung(…) liegen auf der Intensivstation und müssen wiederbelebt werden". Und weiter: "Zehn Leute umgekippt, zwei wurden wieder belebt, ein 16-jähriger Junge wurde acht Mal reanimiert, und der Arzt hat die Hoffnung aufgegeben und ihn liegen gelassen, aber er hat es geschafft."

Der geschilderte Vorfall taucht in keiner Polizeimeldung auf. Was ist dran? Es stellt sich heraus, dass es angeblich einen Vorfall Ende März in der Wittlicher Jugendstrafanstalt (JSA) gab. Das bestätigt Anstaltsleiter Otto Schmid auf TV-Nachfrage zum Teil: "In der Tat haben bei uns insgesamt neun Gefangene Ausfallerscheinungen gezeigt. Es war auch der Notarzt da und die Leitstelle in Trier, die wir alarmiert haben, hat einen Rettungshubschrauber geschickt, weil der sowieso in Richtung Krankenhaus zurück von einem Einsatz kam. Es musste aber niemand reanimiert werden."

Es habe zwei Vorfälle gegeben: Einen mit fünf Gefangenen am 30. und einen mit vier am 31. März. "Wir wissen nicht gesichert, was eingenommen wurde. Wir bemerken zuerst immer nur Ausfallserscheinungen: Dass jemand torkelt, sich anders verhält als sonst, bis dahin, dass welche umgefallen sind. Es mussten auch zwei Personen ins Krankenhaus verlegt werden. Nach ein paar Stunden waren sie dann wieder da."

Der jüngste Betroffene sei 19 Jahre alt. Auch die Polizei sei wegen des Vorfalls ins Haus gekommen. Im Zuge der Befragung habe ein junger Mann zugegeben, sich während des Ausgangs über das Internet die legalen Kräutermischungen, genannt "legal highs" besorgt zu haben.

Ob das wirklich stimmt, bleibt unbelegbar. Auf jeden Fall muss es sich um psychoaktive Substanzen gehandelt haben. Er habe sie in ein Kondom gesteckt, das er geschluckt habe. Es habe sich zwar vermutlich um eine relativ kleine Menge gehandelt, aber er sei "völlig überrascht" gewesen "welchem Gesundheitsrisiko er sich ausgesetzt hat. Wäre das Kondom kaputt gegangen, hätte er keine Chance gehabt." Den Inhalt habe er in Tabak verteilt und daraus gedrehte Zigaretten an Mitgefangene abgegeben.

"Für uns war das glaubhaft", sagt Otto Schmid: "Denkbar ist auch, dass über Besuche kleine Mengen eingeschmuggelt werden: Die Freundin könnte es beispielsweise im Mund versteckt haben, das Kind in der Windel. Dass wir einen Vorfall mit den Kräuterdrogen haben, wäre hier das erste Mal. Wobei, was sich draußen abspielt, spiegelt sich auch im Vollzug wieder. Ich war gerade auf einer Tagung: Ich habe gehört, das Einnehmen von legal highs passiert jetzt öfter mal in den JSA. Schwierig ist, die Substanzen nachzuweisen. Mit einer Urinprobe geht das nicht. Und außerdem sind die Substanzen nicht unerlaubt. Sie scheinen auch in unterschiedlichsten Formen im Umlauf zu sein. "Man hört, es gebe sie auch zum Beispiel aufgeträufelt auf Papier."

Man versuche auch aufzuklären: mit Hilfe der internen und externen Drogenberater, über Flyer.

Extra

Mit "Legal Highs" (Kräutermischung, Badesalzdrogen) wird das Betäubungsmittelgesetz umgangen. Der Konsum der psychoaktiven Drogen unbekannter Zusammensetzung kann lebensgefährlich sein. Es gibt einen Gesetzentwurf, um die per Internet verbreiteten Stoffe zu verbieten.

Hintergrund

Im geschlossenen Vollzug der Jugendstrafanstalt Wittlich sind 140 junge Männer untergebracht. Theoretisch kann man ab 14 Jahre zur Jugendstrafe verurteilt werden. So jung hat Otto Schmid, seit 1981 im Vollzug, nach eigenen Angaben noch keinen erlebt. In Wittlich betrage das Durchschnittsalter 19,5 Jahre. Die Ältesten sind bis 23 Jahre alt. Die Dauer der Haftzeit beträgt mindestens sechs Monate, damit der sogenannte Behandlungs- oder Erziehungsvollzug auch etwas bewirken kann. Insassen, die tatsächlich drogenabhängig sind und zur Überwindung ihrer Suchtproblematik eine Therapie brauchen, schätzt der Anstaltsleiter anteilsmäßig auf 40 bis 50 Prozent.

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