Durch die Brille der Analytikerin

WITTLICH. (peg) In den Schriften des Emil-Frank-Instituts erschien vor kurzem der achte Band. Astrid Hansen befasst sich darin mit dem Fundamentalismus, der beide Seiten im Nahost-Konflikt kennzeichnet.

Bevor einer das Geschehen adäquat wahrnehmen und beurteilen könne, müsse er zunächst einmal den Konflikt und die Tendenzen kennen und erkennen, hatte Professor Reinhold Bohlen in seiner Einleitung zur Buchvorstellung gesagt. Der Leiter des Emil-Frank-Instituts war hocherfreut gewesen, als Astrid Hansen per Telefon ihre Magisterarbeit zur Veröffentlichung innerhalb der Buchreihe des Instituts angeboten hatte. Thematisch knüpft dieser achte Band an den allerersten an. Wieder geht es um den Nahost-Konflikt. Hohe Aktualität gewinnt die Abschlussarbeit der jungen Politologin durch den Tod Jassir Arafats vor wenigen Wochen: möglicherweise eine Chance für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses in Israel. Hansen als Fanatismus-Expertin bewertet diese Chance jedoch sehr zurückhaltend, bekannte sie in der Synagoge. Entscheidend ist in ihren Augen der zukünftige Umgang mit den radikalen rivalisierenden Gruppen sowohl religiöser als auch politischer Prägung. "Dabei ist der islamische Fundamentalismus nur ein Aspekt", sagte sie. Fanatiker, deren erklärtes Ziel die Errichtung eines Gottesstaates sei, gebe es auch unter den Juden, nicht nur unter den Muslimen. Der absolute Wahrheitsanspruch des jeweils eigenen Weltbilds führe zu einer gefährlichen selektiven Wahrnehmung historischer und aktueller Gegebenheiten auf beiden Seiten. Für zusätzlichen Zündstoff sorge dabei die Intoleranz nicht nur gegenüber dem feindlichen Lager, sondern auch innerhalb des eigenen. Wer die heterogene Gesellschaft des israelischen und des palästinensischen Staates näher kennen lernen möchte, in denen sich zahlreiche rivalisierende Gruppen um die allein selig machende Wahrheit streiten, der könnte sich für diesen Band des Emil-Frank-Instituts interessieren. Dabei reichen die Auswirkungen des Konflikts weiter als nur bis in den Nahen Osten. Auch das Attentat des 11. September ist darin verstrickt. Astrid Hansen ist es gelungen, die komplizierten Ursachen und Verstrickungen in einem der heißesten Brandherde auf dem Erdball zu erhellen: in allgemein verständlichem Deutsch und durch die Brille einer aufgeklärten, erfolgreich um Neutralität bemühten Analytikerin.

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