Echte Treue mit Haut und Haaren

BENGEL. Gut oder schlecht geschnittene Haare haben enormen Einfluss auf das Befinden der weiblichen Seele. So kommt es, das jede Frau auf der Suche nach "ihrem" Friseur unermüdlich durch die Salons pilgert, manche leider vergeblich. Doch Elfriede Köhler hat ihre Meisterin gefunden, der sie sich seit 35 Jahren mit Haut und Haaren anvertraut. Dafür überwindet sie Ozeane und Kontinente.

Einmal im Jahr reist die rüstige 82-jährige Dame von Brisbane (Australien) nach Bengel an der Mosel, um sich von Berta Sausen sozusagen auf Vorrat verschönern zu lassen.Immer im Januar beginnt Elfriede Köhler mit den Vorbereitungen der jährlichen Reise in ihre alte Heimat Deutschland. Dann sitzt die 82-Jährige im Garten ihres Hauses in Brisbane am Pazifik, durchforstet deutsche Ferienkalender und koordiniert die Urlaubspläne ihrer Angehörigen und Freunde mit den eigenen Besuchswünschen. Es bedarf vieler Telefonate und Briefe von einem Ende der Welt zum anderen, bis Elfriede Köhlers Reiseplan steht und der Überseekoffer gepackt wird.Reisepläne richten sich nach dem Friseurtermin

Doch alle Unternehmungen der nach Australien ausgewanderten, ehemaligen deutschen Lehrerin richten sich nach dem Termin, der ganz oben auf der Liste steht - dem Friseurbesuch. Erst wenn Friseurmeisterin Berta Sausen das Okay für die erste Reiseetappe in ihrem Salon in Bengel gibt, wird das Flugticket über Singapur nach Frankfurt gebucht.Könnte sie denn nicht auch in Brisbane ? "Ganz unmöglich", erklärt Elfriede Köhler energisch: "Da lasse ich mir nur alle paar Monate die Haare schneiden, um nicht zu verwildern. Aber meine Frisur bekommt nur die Berta hin." Die Friseurmeisterin lacht und zupft der gepflegten alten Dame liebevoll eine Haarsträhne zurecht: "Frau Köhler möchte hübsch und schick sein, wenn sie ihre Verwandtschaft besucht. Deshalb kommt sie immer zuerst zur Generalüberholung zu mir."Die Friseure - wie auch andere Handwerker in Australien - seien nur sehr oberflächlich ausgebildet, erzählt Elfriede Köhler. "Nicht nur bei gelegentlichen Friseurbesuchen wurde ich enttäuscht. Sehr viel Pfusch habe ich leider auch beim Bau meines Hauses erlebt." Elfriede Köhler ist mit Berta Sausen der Meinung, dass in Deutschland die qualifizierte Handwerkerausbildung mit dem Meisterabschluss beibehalten werden müsse.Doch auch als Elfriede Köhler noch in Deutschland lebte, ließ sie nur Berta an Haut und Haare. Die beiden Frauen kennen sich bereits seit 1968. Damals arbeitete die 20-jährige Berta in einem Salon in Wesseling. Bereits nach dem ersten Waschen-Schneiden-Legen erklärte Elfriede Köhler die noch sehr junge Haarkünstlerin zu "ihrer Friseurin". Und als Berta 1971 in Wesseling einen eigenen Salon eröffnete, hatte sie bereits eine treue Stammkundin. Auch nach ihrem Wohnungswechsel nach Köln, fuhr Elfriede Köhler einmal in der Woche zum Frisieren zu Berta Sausen.Vor 18 Jahren nach Australien ausgewandert

1978 wurde der Weg zur Haarpflege noch weiter, weil Berta samt Salon nach Bengel übersiedelte. Doch viele Jahre stieg die treue Kundin jeden zweiten Samstag in Köln in den Zug nach Bengel, um abends rundum zufrieden mit der richtigen Frisur und dem passenden Make up nach Hause zu fahren.In dieser Zeit wurde Elfriede Köhler sehr krank und bekam zudem große Probleme mit ihrer Haut. "Ich habe viele Cremes und Therapien ausprobiert, aber nur Berta konnte mir helfen", erinnert sich die alte Dame. Mit den in ihrem Salon vertriebenen Produkten habe sie das Hautproblem ihrer Kundin in den Griff bekommen, bestätigt die Friseurmeisterin.Als Rentnerin machte Elfriede Köhler 1985 ihren Lebenstraum wahr und wanderte nach Australien aus: "Ich war aber vorher mehrere Male dort, um mich gründlich zu informieren." Sie hat den Schritt nie bereut und lebt glücklich in ihrem eigenen Haus am Pazifik. Alles könnte bestens sein, wenn sie nicht ab und zu zur Haarpflege müsste, und wenn in sie in Australien das Hautpflegeprodukt aus Bertas Salon kaufen könnte.Doch eine echte Auswandererin braucht Mut, Fantasie und einen zusätzlichen Koffer. Der ist leer auf der Reise nach Deutschland, auf dem Rückflug nach Australien aber voll gestopft mit Döschen und Schachteln, dem Jahresvorrat an Kosmetikprodukten. Und Berta hat inzwischen genug Routine, um aus Elfriede Köhlers Haaren eine Frisur zu zaubern, die einige Monate hält.

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