Ehrenamtler ersetzen die Großfamilie

Bernkastel-Kues · Unterstützung beim Einkauf gebraucht, Fahrdienst zum Arzt benötigt, Leih-Oma gesucht: Bei solchen Problemen hilft die Ehrenamtsbörse der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues weiter. Sie bringt Suchende und Anbieter zusammen. Um speziell die Betreuung älterer Menschen zu gewährleisten, hat die Verbandsgemeinde zudem den Pflegestammtisch gegründet.

Bernkastel-Kues. Detlev Roegler ist Rentner und wollte Menschen helfen, die Unterstützung brauchen. "Da komme ich auch mal hin", sagt er. Also hat er sich bei der Ehrenamtsbörse der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues angemeldet.
Roegler kauft regelmäßig für zwei ältere Frauen ein und besucht auch Patienten im Krankenhaus. Doch hilft er nicht nur, er hat auch was davon. "Ich führe oft interessante Gespräche", sagt er und: "Ich habe so auch ohne Arbeit eine Struktur in meinem Leben."

Die Ehrenamtsbörse: Detlev Roegler ist einer von 40 ansonsten überwiegend weiblichen Teilnehmern, die ihre Dienste über die Ehrenamtsbörse anbieten. Das breit gefächerte Spektrum reicht von Leih-Oma und -Opa über Fahrdienste und Patenschaften bei der Lehrstellensuche bis hin zum Nachhilfeunterricht.
"Die Verbandsgemeinde vermittelt zwischen Hilfesuchenden und Anbietern", sagt Leo Wächter, Initiator und erster Beigeordneter der VG. Bei vierteljährlichen Treffen der Helfer werden Erfahrungen ausgetauscht und Probleme besprochen.
Die Zahl der Helfer wächst laut Wächter stetig, und auch die Anfragen an Monika Coen, die VG-Mitarbeiterin, die die Börse betreut, kommen regelmäßig. Dennoch merkt Wächter immer wieder, dass die Ehrenamtsbörse noch zu wenig bekannt ist.
Vor zwei Jahren wurde sie gegründet. Sie soll ganz generell die verloren gegangenen Netzwerke von Großfamilie und Nachbarschaft ersetzen helfen. Doch für Leo Wächter ist sie auch eine Antwort auf die demografische Entwicklung. Denn gerade ältere Menschen brauchen Unterstützung - und sie werden immer mehr (siehe Extra).

Der Pflegestammtisch: Eine zweite Antwort auf diese Entwicklung ist der Pflegestammtisch der VG. Dort kommen seit einem Jahr regelmäßig alle zusammen, die professionell mit der Pflege von älteren und behinderten Menschen zu tun haben, also Ärzte, Vertreter von Alten- und Pflegeheimen, Pflegediensten, Pflegestützpunkten, Krankenhausverwaltungen und der Kreisverwaltung sowie der Leiter der Berufsbildenden Schule, an der ein Fachbereich für Altenpflege aufgebaut wird.
Der Stammtisch hat laut Wächter schon einiges bewirkt. Die Akteure kennen sich nun untereinander und wissen, an wen sie verweisen können, beispielsweise wenn ein Pflegebedürftiger kurzfristig aus dem Krankenhaus entlassen wird und Unterstützung braucht. Das Pflegeportal auf der Internetseite der VG wurde eingerichtet, in dem Infos rund um die Pflege und über freie Plätze in den verschiedenen Einrichtungen zu finden sind.
Generelles Ziel ist es, Strukturen aufzubauen, die es pflegebedürftigen Menschen ermöglichen, so lange wie möglich zu Hause zu leben. Unterstützt wird der Stammtisch dabei auch von der Ehrenamtsbörse.
Konkret soll beispielsweise die Tagespflege ortsnah ausgebaut werden. "Die Hemmschwelle ist dann niedriger", sagt Wächter. Tagespflegeeinrichtungen existieren bereits in Bernkastel-Kues, in Maring-Noviand und Minheim. In Veldenz ist eine geplant.
In Minheim wollen Pflegedienste zusammen mit der Pfarreiengemeinschaft zudem eine ehrenamtliche Betreuungsgruppe für Demenzkranke aufbauen. Gleiches soll im Demenzcafé in Bernkastel-Kues passieren, das analog zur gleichnamigen Einrichtung in Wittlich aufgebaut wird. Pflegestammtisch und Ehrenamtsbörse hatten dazu bereits eine gemeinsame Infoveranstaltung.
Kontakt zur Ehrenamtsbörse der VG Bernkastel-Kues, Telefon Monika Coen, Telefon 06531/54114, per E-Mail:
m.corn@bernkastel-kues.de
Extra

Wie überall in Deutschland steigt auch in der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues die Anzahl der älteren Menschen stetig, gleichzeitig sinkt die Zahl der Einwohner insgesamt. Lag der Anteil der Über-60-jährigen laut Statistischem Landesamt 2002 noch bei 6093 (das entspricht 21,5 Prozent), waren es 2011 bereits 6365 (23,5 Prozent). Dabei ist insbesondere der Anteil der Menschen, die 80 Jahre und älter sind, stark gestiegen: von 1425 auf 1944. Insgesamt hat die Einwohnerzahl in dieser Zeit um rund 1250 auf 27 070 abgenommen. mai

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