Eigenes Geld als Retter in finanzieller Not

Wittlich/Dreis · Griechenland fehlen Milliarden Euro, um finanziell über die Runden zu kommen, bei Städten wie Wittlich sind es meist Millionen, die fehlen. 1923 behalfen sich Kommunen mit der Herausgabe eigenen Geldes.

Wittlich/Dreis. Für einen Spaß ist Alfred Herges immer zu haben. "Im TV stand ein Bericht darüber, dass die Wittlicher lieber für 12,6 Millionen Euro ein neues Rathaus bauen wollen, als das Stadthaus für acht Millionen zu kaufen", sagt der Dreiser. Inzwischen habe aber auch Wittlich kein Geld mehr. Woher sollen da die gut vier Millionen kommen, die die Stadt mehr ausgeben möchte, hat er sich gefragt. "Das ist kein Problem. Sie können doch wieder welches drucken", sagt der 75-Jährige verschmitzt.
Das "wieder" bezieht sich auf die Zeit, als aus lauter Not in Wittlich eigenes Geld gedruckt wurde. Notgeld hieß das damals. Dass Kreise und Gemeinde eigene Zahlungsmittel drucken ließen, liegt fast 90 Jahre zurück. Alfred Herges besitzt einige dieser Geldscheine, die frühere Besitzer in Sekundenschnelle zu Millionären machten. Doch das hieß nicht viel. Ende Oktober 1923 kostete in Deutschland ein Kilogramm Rindfleisch drei Milliarden Mark. Oliver Jentjens berichtet im Bernkastel-Wittlicher Kreisjahrbuch 2000 davon, dass der Brauneberger Volksschullehrer Paul Kuhn am 1. Oktober 1923 ein Monatsgehalt von acht Milliarden Mark erhielt. Wenige Wochen ehe Kuhn Einkommensmilliardär wurde, hatten die Verantwortlichen im damaligen Kreis Wittlich gezeigt, wie man sich notfalls Millionen besorgt. So gab der Kreisausschuss am 3. August sowohl Gutscheine über eine Million als auch 100 Millionen Mark aus. Später waren es dann auch schon einmal Scheine mit Milliardenbeträgen. "Vier Millionen dürfte für die Wittlicher also ein Klacks sein", sagt Alfred Herges. Deshalb habe er sich an den TV gewandt, damit die Zeitung über diese Möglichkeit berichtet.
Aktuell müssen sich die Verantwortlichen in der Stadt Wittlich noch keine Gedanken darüber machen, woher sie das Geld für das neue Rathaus bekommen sollen. Denn der Landesrechnungshof prüft derzeit, ob die Stadt ihre Pläne überhaupt umsetzen darf (der TV berichtete). Und der Kauf des Stadthauses kommt für die Stadt nach Auskunft der Stadtverwaltung nicht infrage. Für den Haushalt der Stadt ist diese Verzögerung ebenso ein Segen wie die beim Bau eines Vereinshauses in Wengerohr. Allein rund 5,8 Millionen Euro wollte die Stadt für das Rathaus in diesem Jahr ausgeben. Das darf sie wegen des Einspruchs des Landesrechnungshofs jedoch nicht. Der unerwartete Rückgang bei den städtischen Einnahmen von rund einer Million Euro auf vermutlich rund 8,5 Millionen Euro Gewerbesteuer tut deshalb nicht so weh.
Und auch wenn es dann im kommenden Jahr eng wird, geht Alfred Herges nicht davon aus, dass die Wittlicher nicht wieder auf die Idee kommen, selber Geld zu drucken. Obwohl: "Einige der Notgeldscheine sind richtig schön und aufwendig gestaltet", sagt der Dreiser und zeigt einen reich verzierten Hundert-Millionen-Mark-Schein mit dem alten Wittlicher Kreiswappen. har

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