Ein Ackerkraut, zwei Meinungen

WITTLICH/WENGEROHR/PLATTEN. Ein geschütztes Ackerkraut wächst nahe der geplanten Trasse der B 50 neu. Unlängst hat das Land dort ein Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) nachgemeldet. Der TV hat darüber berichtet und jetzt betroffene Landwirte und den Nabu gebeten, dazu gegenseitig Stellung zu beziehen.

Ein Thema, zwei verschiedene Perspektiven. Während der Naturschutzbund sich für den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Pflanze einsetzt, sind Bauern, auf deren Grund und Boden die "Dicke Trespe" wächst, irritiert über die Folgen des "offiziellen" Naturschutzes, die sie zu tragen haben. Um die unterschiedlichen Positionen zu verdeutlichen, hat der TV beide "Parteien" gebeten, jeweils der anderen ihre wichtigsten Fragen zu stellen und dieselben wechselseitig zu beantworten. Zum Einen kommt zu Wort Friedrich Wulf, Naturschutzreferent beim Nabu Rheinland-Pfalz sowie Werner Görgen, Sprecher der Teilnehmergemeinschaft und Mitglied des Runden Tischs der Landwirte in der Wittlicher Senke. Die Trasse der B 50 neu verläuft nördlich der FFH-Gebietserweiterung über 51 Hektar bei Wengerohr/Platten, die Ende Januar vom rheinland-pfälzischen Ministerrat nachgemeldet wurde, auch um zur Rechtsklarheit in Sachen B 50 neu beizutragen. Die Dicke Trespe (Bromus grossus) ist eine seltene Grasart, die vom Aussterben bedroht ist. Ihre Verbreitung ist auf wenige Stellen beschränkt. Das Gebiet bei Wengerohr/Platten ist eines von zweien in Rheinland-Pfalz. Außerdem gibt es laut Nabu Fundorte in Baden-Württemberg und in der Schweiz. Sonst komme die Art nirgends auf der Welt vor. Friedrich Wulf: Wie wollen Sie sonst diese seltene Art vor dem Aussterben bewahren?Werner Görgen: Die Frage ist, ob die Trespe vor dem Aussterben bewahrt wird oder ob durch diesen Einschnitt "Festsetzung einer Fläche für den Lebensraum der Trespe" dieselbe mehr gefährdet wird. Nach Aussagen von Experten wächst die Trespe besonders bei guter landwirtschaftlicher Praxis. Das heißt, gerade der intensive Ackerbau, ausgenommen Subkulturen, ist der Trespe zuträglich. In Stilllegungsflächen wird die Trespe durch wuchernde Gräser aus der Fläche verdrängt. Die Landwirtschaft ist sich sehr wohl der Verantwortung bewusst und will die Gewähr, dass die Flächen bei guter fachlicher Praxis weiter bewirtschaftet werden können. Wulf: Wie wollen Sie verhindern, dass das Land im Fall einer Nichtausweisung durch den Europäischen Gerichtshof verurteilt wird und viel Geld zahlen muss?Görgen: Das würde bei einer Nichtausweisung zutreffen. Aber die Flächen sind ja gemeldet und soweit auch zum Erhalt der Trespe in dieser Größenordnung festgeschrieben. Wir verurteilen nur, dass man immer versucht, durch die Hintertür neue Dinge und Probleme aufzuzeigen und somit Planungen zum Erhalt einer schlagkräftigen Landwirtschaft in der Wittlicher Senke erschwert. Wenn man schon 2003 davon wusste, so hätte man dies am Runden Tisch der Wittlicher Senke zur Sprache bringen können. Mit Sicherheit hätte man den einen oder anderen Konsens mit allen Beteiligten gefunden, ohne die laufenden Planungen wieder in Frage zu stellen. Wulf: Was machen Sie, wenn der Europäische Gerichtshof den Bau der Straße verhindert, weil das Gebiet nicht gemeldet wurde und somit einer Veränderungssperre unterliegt ?Görgen: Nun sind die Flächen ja gemeldet, und es besteht kein Zweifel auch an der Festschreibung der FFH-Fläche. Wir verurteilen nur die späte Meldung im laufenden Verfahren. Wulf: Unter welchen Voraussetzungen würden Sie zum Schutz der Art beitragen ?Görgen: Die Landwirte tragen mit Sicherheit derzeit schon zum Schutz dieser seltenen Art bei, sonst könnten wir sie nicht auf mehreren Standorten vorfinden. Wir sehen uns auch in der Verantwortung, aber für uns stellt sich die Frage, wie weit Sie auf Kompromisse eingehen. Akzeptieren Sie Ackerrandstreifen zum Schutz und Erhalt der Trespe oder fordern Sie die gesamte als FFH gemeldete Fläche als Trespenfläche mit derzeit noch nicht absehbaren Einschränkungen? Da hier auf gutem Ackerland Einschränkungen zu erwarten sind, müssen wir über Ausgleiche sprechen. Wir können nicht erwarten, dass hier Landwirte wirtschaften zum Erhalt der Trespe und unter dem Deckungsbeitrag Erträge produzieren müssen zum Erhalt einer Pflanze. Dann stehen wir vor der Entscheidung zur Stilllegung. Und die bedeutet nach jetzigem Wissen das Aus für die Trespe. Wir brauchen eine schlagkräftige Landwirtschaft, gerade in der Wittlicher Senke auch zur Naherholung. Wir sind gewillt, Voraussetzungen zu schaffen, wenn es sich für die Landwirtschaft noch lohnt, auf diesen Flächen Ackerbau zu betreiben, sonst haben beide keine Chance, weder die Dicke Trespe noch die Landwirtschaft. Werner Görgen: Akzeptieren Sie Ackerrandstreifen zum Schutz der Trespe oder fordern Sie derzeit restlos die stehende ganze Fläche als Trespen-Schutzzone? Friedrich Wulf: Ackerrandstreifen dürften grundsätzlich eine geeignete Maßnahme zur Erhaltung der Dicken Trespe sein. Sie sollten vor allem herbizidfrei gehalten und erst nach der Fruchtreife gemäht werden. Sie sollten möglichst so gelegt werden, dass die bekannten Vorkommen der Art darin liegen, und wo möglich miteinander mähtechnisch vernetzt werden, um eine Verbreitung der Samen zu ermöglichen. Sobald die Maßnahmen greifen, ist auch eine Verlagerung möglich. Die restliche Fläche kann so bewirtschaftet werden wie bisher, wobei Getreide als Feldfrucht besonders geeignet ist. Görgen: Sind Sie gegen eine noch funktionierende Landwirtschaft in der Wittlicher Senke?Wulf: Natürlich nicht. Die Dicke Trespe ist ja auf eine landwirtschaftliche, ackerbauliche Nutzung angewiesen! Nur kommt die Art mit den heutigen Herbiziden nicht klar; auch ein zu früher Erntezeitpunkt ist ihr abträglich. Wir wollen die Landwirtschaft als Partner gewinnen, der es als seine Aufgabe sieht, Nahrungsmittel zu erzeugen und sich als Dienstleister zur Erhaltung der Natur versteht. Görgen: Was raten Sie Eigentümern dieser Flächen bezüglich der drohenden Nutzungseinschränkungen?Wulf: Sie sollten diese Flächen behalten. Wir hoffen, dass die Förderung, die sie für eine trespengerechte Bewirtschaftung erhalten, den Ernteausfall kompensiert. Positiv ist unserer Absicht nach auch, dass die Förderung unabhängig vom Ernteerfolg auf der Fläche ist und somit vielleicht auch ein verlässliches zweites Standbein für ungünstige Jahre. Görgen: Wie wollen Sie Einschnitte in der Bewirtschaftung ausgleichen? Wulf: Soweit die erforderlichen Einschnitte die Sozialpflichtigkeit des Eigentümers überschreiten, sollte eine Förderung im Rahmen des Förderprogramms umweltfreundlicher Landbau (FUL) stattfinden. Hierfür steht das Programmteil X, Anlage von Ackerrandstreifen, bezahlt werden 664 Euro pro Hektar im Jahr, zur Verfügung.

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