Ein Autor, der das Publikum begeistert

Wittlich · Eine Lesung mit dem Autor Hanns-Josef Ortheil ist ein besonderes Erlebnis. Denn der Schriftsteller und Professor an der Kölner Uni lässt die Zuhörer an seinem Leben teilhaben.

 Hanns-Josef Ortheil bei seiner Lesung in Wittlich. TV-Foto: Nora John

Hanns-Josef Ortheil bei seiner Lesung in Wittlich. TV-Foto: Nora John

Wittlich. Buchhändlerin Claudia Jacoby hat sich einen besonderen Wunsch zu ihrem 50. Geburtstag erfüllt. Statt eines Festes hat sie den Autor Hanns-Josef Ortheil nach Wittlich eingeladen, um in der Synagoge aus seinem neuen Buch "Das Kind, das nicht fragte", zu lesen.
In dem Buch geht es um den Ich-Erzähler Benjamin Merz, der als Ethnologe das Leben der Menschen im sizilianischen Mandlica erkunden möchte. Dafür muss er Fragen stellen. Aber genau das fällt ihm schwer. Schuld daran sind seine vier älteren Brüder, die den kleinen Benjamin nur selten zu Wort kommen lassen. Allein die Geschichte und die Passagen, die Ortheil vorliest, sind ein Genuss. Vor allem die lebendige Sprache, die auch bei ernsten Inhalten immer leicht und augenzwinkernd daherkommt, berührt. Die Zuhörer folgen der Lesung gebannt und amüsieren sich an vielen Stellen. Das Besondere an einer Lesung mit Hanns-Josef Ortheil ist aber auch seine Lebensgeschichte, die viele seiner Bücher wie ein roter Faden durchzieht. Denn Ortheil wuchs als Kind zunächst ohne Sprache auf.
Erst mit sieben Jahren fing er an zu sprechen. Seine Mutter war verstummt, als ihre vier älteren Söhne starben. Hanns-Josef Ortheil selbst war das fünfte Junge aber dennoch eigentlich ein Einzelkind. Die Figur des Benjamin Merz hat die vier älteren Brüder, die Ortheil nie hatte. Die aber in seiner Fantasie immer vorhanden sind und nach seinen Vorstellungen auch bestimmte Berufe wie Arzt, Apotheker oder Jurist haben.
Auch der Gedanke, dass die Figur aus dem Buch ein Ethnologe ist, hat einen autobiografischen Hintergrund. Denn Ortheil selbst interessierte sich für die sizilianischen Städte und die Süßigkeiten (Dolci), die dort hergestellt werden und gab sich deshalb als Ethnologe aus. "Kaum erwähnte ich das Wort befand, ich mich bereits in den tiefsten Kellern", nämlich dort, wo die Dolci hergestellt werden.
Sehr amüsant beschreibt Ortheil seine Beobachtungen der Sizilianer, die eben auch gerne und viel reden. "Der Erzählmotor wird morgens angeworfen und schnurrt bis zum Abend", sagt der Autor. Für die Zuhörer in der Synagoge war es ein besonderes Erlebnis, das mit viel Applaus belohnt wurde. Für Claudia Jacoby ein besonderes Geburtstagsgeschenk, das sie mit ihren Gästen bei einem Glas Wein nach der Lesung feierte. Die Musik trug zum persönlichen Fest bei, denn der Musikbeitrag kam von Claudia Jacoby Schwägerin Ulrike Graf und ihrer Tochter Julia Graf. noj

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort