Zum Wohl! In aller Ruhe gereift

Wiltingen/Bernkastel-Kues · Wie entsteht eigentlich das wichtigste Getränk für Silvester – der Sekt? Ein Besuch in der Kellerei der Moselland Genossenschaft gibt Aufschluss darüber.

 Die Experten sind begeistert vom Nigra-Sekt: Winemaker Dominik Meyer, Kellermeister in Wiltingen Julian Goerg und Betriebsleiter Wein Peter Meurer (von links).

Die Experten sind begeistert vom Nigra-Sekt: Winemaker Dominik Meyer, Kellermeister in Wiltingen Julian Goerg und Betriebsleiter Wein Peter Meurer (von links).

Foto: Jan Söfjer

Wer kurz vor dem Jahresende bei der Porta Nigra Sekt-Kellerei in Wiltingen vorbeischaut, wird erst einmal enttäuscht. Es tut sich absolut nichts. Keine Bänder rattern, niemand eilt umher, keine Flaschen werden befüllt, keine Kisten gepackt. Und Korken knallen schon gar nicht. Der Grund liegt in der Art, wie das Unternehmen der Winzergenossenschaft Moselland aus Bernkastel-Kues seinen Sekt hier produziert.

Im September und Oktober bringen die Winzer der Genossenschaft ihre Trauben und kippen sie in die Annahmewanne. Dort werden die Menge und das Mostgewicht, also der Zuckergehalt in Grad Oechsle, gemessen. Anschließend werden im Entrapper die Stiele entfernt und die Maische kommt in die Kelter, in der ein sich aufblasendes Tuch die Trauben schonend presst. Dann wird der geklärte Traubensaft in einem Nebenraum in Tanks gefüllt. Die größten sind fünf bis sechs Meter hoch und fassen 30 000 Liter. Alle Tanks zusammen haben ein Volumen von 800 000 Litern. „Wir ernten hier am Standort rund eine Million Kilo Trauben, das sind rund 750 000 Liter“, sagt Julian Goerg, Kellermeister und Standortleiter in Wiltingen.

Dem Traubensaft wird Hefe und bei Bedarf zusätzlicher Zucker zugesetzt. Die Gärung beginnt und verstoffwechselt den Zucker in Alkohol. „Die Hefe vermehrt sich und autolysiert nach der Gärung, also löst sich auf und gibt Inhaltsstoffe an den Wein ab. Der Wein wird reifer und kräftiger“, sagt Peter Meurer, Betriebsleiter Wein bei Moselland. „Nach vier bis fünf Monaten ist der Traubensaft vinifiziert.“ Der Wein wird nun von der Hefe filtriert. Erst im März, April beginnt die eigentliche Sektproduktion, die Veredlung des Weines.

„Der Sektgrundwein wird durch Zugabe von Zucker und Hefe ein zweites Mal vergoren. Bei Moselland erfolgt dies immer nach dem Verfahren der traditionellen Flaschengärung, welches auch in der Champagne zum Einsatz kommt“, sagt Meurer. Der Wein wird in Flaschen abgefüllt und mit einem Kronkorken versehen. Die alkoholische Gärung setzt ein, Gas entsteht und erreicht einen Druck von rund sechs bar, mehr als doppelt so viel wie in den meisten Autoreifen. Es kann aber wegen der Kronkorken nicht entweichen. Das Gas bleibt gelöst. Die Gärung dauert knapp einen Monat. Nun beginnt der längste Prozess. „Ein einfacher Sekt reift drei bis sechs Monate in der Tankgärung“, sagt Meurer. „Aber ein Winzersekt muss zumindest neun Monate in der Flasche reifen.“ Und Moselland produziert ausschließlich Winzersekt. Der gesamte Prozess braucht daher fast eineinhalb Jahre. Deswegen kommt der 2018er-Sektjahrgang erst im Januar oder Februar 2020 in den Verkauf.

„In den neun Monaten gibt die Hefe noch mal Nährstoffe ins Produkt ab, die eine Cremigkeit erzeugt und das Mundgefühl des Sekts verbessert“, sagt der Winemaker von Moselland, Dominik Meyer. Schließlich werden die Flaschen abgerüttelt, wie es im Fachjargon heißt. Über drei Wochen werden sie schräg kopfüber in Schritten gedreht – entweder einzeln oder mit einer speziellen Vorrichtung in einer Holzkiste à 405 Flaschen. Dadurch setzt sich die Hefe im Flaschenhals ab.

Nun folgt der letzte Schritt. Das Degorgieren. „Eine Maschine zieht den Kronkorken ab, die Hefe und ein bisschen Sekt schießen heraus“, sagt Kellermeister Julian Goerg. „Die fehlende Menge wird dann mit fertigem Sekt aufgefüllt.“ Erst jetzt entscheidet sich die Süßestufe des Sektes. Noch ist er „brut natural“. Meurer sagt: „In diesem Stadium ist der Sekt komplett ohne Restzucker und Süße. Wenn Sie das trinken, zieht es ihnen die Fußnägel hoch.“ Deshalb wird etwas rektifiziertes Traubenmost-Konzentrat hinzugefügt, um die Süße-Stufe zu entscheiden. Der klassische Sekt ist übrigens „brut“ und das ist eine Stufe trockener als „trocken“. Nun wird der Wein verkorkt und mit der metallenen Agraffe – dem Drahtgestell um den Sektkorken herum – versehen.

Mit dem Degorgieren beschleunigt sich übrigens die Reife des Schaumweins und der Alterungsprozess beginnt. Deshalb sollte Sekt, je nach Art, im ersten bis dritten Jahr nach dem Degorgieren getrunken werden.

120 000 bis 150 000 Flaschen Sekt produziert Kellermeister Goerg mit seinem Team pro Jahr. Vor allem Riesling-Sekt, aber auch Weißburgunder oder Elbling. Der Sekt macht jedoch nur einen Bruchteil der Gesamtproduktion von Moselland aus. Knapp 40 Millionen Liter Wein werden jedes Jahr verkauft.

Nach der Führung gibt es einen Nigra-Sekt zum Probieren und die Experten geraten ins Schwärmen. „Der Sekt hat eine ganz feine Perlage“, sagt Meurer. Meyer ergänzt: „Was den Winzersekt aus der Region ausmacht, ist das Fruchtige, gerade im Gegensatz zu Champagner, der eher einen Hefeton hat.“ Der Riesling prägt den mineralischen Geschmack. „Die Frucht des Weines steht im Vordergrund“, sagt Meurer. Erwerben lässt sich der Nigra-Sekt von Moselland in der Region übrigens nur an den Moselland-Standorten in Wiltingen (sehr versteckt in der Straße Zum Schlossberg 345) und in Bernkastel-Kues (Bornwiese 6). Rund ein Euro des Preises ist wie immer eine Steuer aus Kaiserzeiten zur Finanzierung der Kriegsflotte. Prost!

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