Ein Bewährungshelfer muss auch Detektiv sein

Bernkastel-Kues/Morbach · Von Enkirch bis Neumagen-Dhron und bis hinauf nach Morbach reicht das Arbeitsgebiet des Bewährungshelfers Rainer Görgen. Kaum ein Außenstehender ist nach einem Urteilsspruch so nah dran an Straftätern wie der 45 Jahre alte Diplom-Sozialarbeiter.

Wenn Rainer Görgen von seinem Beruf als Bewährungshelfer erzählt und von Hilfe zur Selbsthilfe spricht, hat er zwei Seelen in seiner Brust. Denn sein Anspruch, den Verurteilten Unterstützung für ein straffreies Leben zu geben, kollidiere oft mit der Realität, erläutert er im Gespräch mit dem TV.
"Ich habe 100 Leute, die ich betreuen muss", berichtet der Bewährungshelfer. Etwa fünf Prozent davon seien zurzeit Frauen. Sich in gleichem Maße um alle zu kümmern, sei schwer bis unmöglich. Denn: "Viele reagieren gar nicht auf die Auflagen und Weisungen der Gerichte."
Stellt ein Richter einem Verurteilten den Bewährungshelfer zu Seite, dann bedeutet es für denjenigen, dass er regelmäßigen Kontakt mit ihm haben muss. Dies jedoch gestalte sich oft schwer: "Vielfach kommt es nicht mal problemlos zum Erstgespräch. Die Probanden sind nicht erreichbar oder auch schlicht nicht auffindbar, weil sie oft die Wohnsitze wechseln." Die insgesamt 16 Bewährungshelfer, die im Bezirk des Landgerichts Trier tätig sind, müssten deshalb oft auch detektivische Aufgaben übernehmen. Neben persönlichen Gesprächen und Treffen, die zur Einschätzung des Lebensumfeldes dienen, besucht Görgen die Verurteilten in der Therapie, im Gefängnis und berichtet bei Gerichtsterminen.Was er sich wünschen würde: "Mehr Personal und mehr Zeit." Die Bilanz, die er zieht, ist eher ernüchternd: "Meine persönliche Erfolgsquote liegt bei schätzungsweise 40 Prozent", berichtet er.
Die Palette der Straftaten, die die von ihm betreuten Personen verübt haben, ist vielschichtig. Raub, Vergewaltigung, Brandstiftung, Diebstahl, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, Körperverletzung, Steuerhinterziehung, Erschleichung von sozialen Leistungen, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Spiel- oder Internetsucht.
Und das ist nur ein Auszug. 14 Jahre jung ist der jüngste Straffällige, dem Görgen helfen soll, einen richtigen Weg einzuschlagen - weit über 70 Jahre der Älteste.
"Das Strafverhalten hat sich in den vergangenen 20 Jahren sehr verändert", berichtet er. Früher habe man eine Diagnose gestellt, heute komme es oft zu Doppeldiagnosen: "Mehrere Gründe führen zu Straftaten. Wie beispielsweise jemand, der im Internet durch seine Spielsucht keinen Überblick mehr hat und dadurch straffällig wird, indem er betrügt." Auch würden heute Delikte schneller und häufiger angezeigt.
Görgen spricht auch von einem "markanten Werteverlust". Nicht selten sehe er in der Praxis, dass es kaum noch Dinge gibt, vor denen Straffällige überhaupt Respekt haben. "Es ist keine Seltenheit, dass jemand es etwa nicht einmal schafft, fünf Tage die Woche auf eine Schule zu gehen."
Er stoße oft gegen Mauern, jeder Erfolg sei aber ein wichtiger Baustein und Motivation. Görgen gibt ein Beispiel: "Ich habe einer Frau auf den richtigen Weg verholfen. Sie hat sich aus ihrem Umfeld befreit und lebt heute glücklich und straffrei. Ich habe ihr viel Unterstützung gegeben, alleine schon bei der Begleitung zu Behörden, jetzt steht sie mitten im Leben." Dass das eher selten ist, weiß Görgen. "Aber ich sehe mich als Sozialmanager und könnte mir keinen abwechslungsreicheren Beruf vorstellen. Jeder, der aus der Spirale herauskommt, macht einen Schritt nach vorn", sagt er.Extra

Die Bewährung legt eine vom Richter klar definierte Zeit fest, in welcher der Verurteilte sich bewähren muss: In ihr muss beispielsweise die Befähigung einer Person zum eigenständigen Handeln nachgewiesen werden. Hält sich der Verurteilte an die Auflagen, dann kann es bei seiner zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zum Straferlass kommen. Überprüft werden die richterlichen Anordnungen von einem Bewährungshelfer, der das persönliche Umfeld der Straftäter überprüft, sie unterstützt und sich mit ihnen um eine straffreie Zukunft kümmert. Wer ein Fachhochschulstudium der Sozialarbeit oder der Sozialpädagogik erfolgreich abgeschlossen und die staatliche Anerkennung erworben hat, kann als Bewährungshelfer eingestellt werden. jo

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