"Ein bisschen Schnauf" für die Nachbarin

WITTLICH. "Maasen Dort" ist als Wittlicher Original auf dem Brunnen am Platz an der Lieser verewigt. Peter Daus hat sie gekannt und ihre Liebe zum Schnupftabak. Der kam aus der Zigarrenfabrik Felzen in der Oberen Kordel. Diese Wittlicher Geschichte "überlebt" nun im Heimatmuseum Zell, dank Gerd Bayer aus Bausendorf.

Als Peter Daus ein kleiner Junge war, war die Wittlicher Luft anders: "Da hat es gut gerochen nach Wittlicher Tabak". Denn in seiner Nachbarschaft war die Zigarrenfabrik Felzen. Ging der Junge am Haus von "Maasen Dort" vorbei, klopfte sie ans Fenster. "Gehst du ein bisschen Schnauf holen?", fragte sie und reichte ihr Lederdöschen. Dort hinein kam der Tabakstaub aus dem Familienbetrieb Felzen, gratis. Den tat die alte Frau in ihr "Käulchen" auf der Hand und erfreute sich an einer guten Prise. Frauen waren "ganz wild auf die Jobs"

Ansonsten war der Tabak aus der Wittlicher Senke Füllmaterial für gute Zigarren. Die geschmacksbildende Umkleidung, das Deckblatt, wurde importiert. Und in Wittlich wurde das Rauchkraut in Form gebracht, aber auch in Zell. Das Moselstädtchen war noch bedeutender für die Zigarrenproduktion. Dort zeigt man im jetzt neu eröffneten Wein- und Heimatmuseum auch Wittlicher Zigarren-Geschichte. Gerd Bayer hat sie dorthin gebracht. Er ist ein passionierter Sammler und Forscher: "Bodenständiges Handwerk ist mein Spezialgebiet." Als ihm vor Jahren Klaus Petry erzählte, in einem Haus, das für den Bau der Südtangente geräumt werden musste, sei ein großer Teil der früheren Zigarrenfabrik Felzen untergebracht, rettete er das Kulturgut: "Wir haben einen großen Speicher." Jetzt ist ein Teil dieser Wirtschaftsgeschichte in Zell zu sehen. Außer dem Wittlicher Tabak gibt es zur Moselstadt noch eine Verbindung. Heinrich Neuerburg aus Wittlich volontierte 1858 bei der Zeller Zigarrenfirma J.B. Graeff und wurde ein Fachmann, der später in Trier seiner Profession nachging. Gerd Bayer weiß auch, warum die Geschichte der Zigarren auch eine der Frauen ist: "Die Frauen waren preisgünstige Arbeitskräfte und ganz wild auf diese Jobs, denn die waren versicherungspflichtig. Die Renten waren gering, aber es waren Renten und das war entscheidend." Sie saßen an den Wickelbrettern und gaben der Füllung Form. Gerd Bayer hat dokumentiert, dass manche Frau im Jahr bis zu 100 000 Zigarren wickelte. Auch er hat das schon probiert. "Das ist nicht einfach. Da macht man am Anfang die letzten Gurken." Alles rund um die Produktion, vom Messer über das Formenbrett bis zur Schneidmaschine oder die Kisten und Etiketten kann man nun in Zell bewundern. Als das Museum öffnete, war der Andrang riesig. Auch Wittlicher waren dort, um "ihre" Geschichte zu bestaunen. Gerd Bayer, der sich selbst einen "Jäger und Sammler, der notfalls auch einem auf die Nerven geht" bezeichnet, sagt über die "Zeller Schätze": "Wir haben so viel, wir könnten ohne weiteres eine zweite Ausstellung bestücken. Wittlich wäre doch prädestiniert für ein Industrie-Museum, dazu Handwerk und Weinbau. Das sollte man in jedem Fall einmal angehen." In Zell war der Tag der offenen Tür jedenfalls ein Publikumsmagnet. "Da waren 1000 Menschen. Damit hat keiner gerechnet. Ich habe sieben Führungen gemacht und war nachher heiser." Das Interesse erklärt Gerd Bayer so: "Die Ausstellung lässt Erinnerungen an Kindheit, Jugend und Arbeit wieder lebendig werden. Manch einer steht vor der Vitrine und sagt: ‚So ein Brett hat meine Mutter auch gehabt.‘ Dadurch findet bei älteren Besuchern eine starke Identifikation statt, weil eine Beziehung zu den Exponaten da ist. Und Kinder, die sind einfach nicht gelangweilt. Sie sehen, wie man mit Werkzeug umgeht, schauen auf das Werkstück. Da steht das Verbale nicht so im Vordergrund." Bleibt noch eine Frage, ob er sich auch mal eine Zigarre angesteckt hat? "Ich habe 20 Jahre Zigarren geraucht, aber vor weit mehr als 20 Jahren aufgehört. Für einen Film über das Museum musste ich wieder eine rauchen. Ich bin fast daran erstickt." Das Zeller Wein- und Heimatmuseum ist mittwochs und samstags 15 bis 17 Uhr geöffnet. Gruppenführungen oder weitere Termine nach Absprache mit der Touristinformation, Telefon 06542/96220.

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