Ein Brunnen erzählt Stadtgeschichte: Antiautoritär auf Maasen Dorts Art

Wittlich · Die Frau, die sich nichts bieten ließ, bleibt nicht nur als Brunnenfigur im Gedächtnis. Wie es ist, eine Wittlicher Legende im Stammbaum zu haben, erzählen Ralf Schunk und sein Sohn Raphael. Wer weitere Geschichten kennt: Bitte melden.

Da steht sie den Pantoffel in der linken Hand, die Haare zum Dutt gesteckt und rechts noch ein Milchkännchen schwenkend. Selbst als Bronzerelief auf dem Brunnen am Platz an der Lieser wirkt sie imposant. Ralf Schunk streicht ihr dort immer über den Kopf, wenn er vorbeikommt, der Maasen Dort. So nennen die Wittlicher die Frau, die seine Uroma ist und eigentlich Dorothea Maas heißt aber in Schunks Familie egal von welcher Generation nur "die Oma" genannt wird.

Die Wittlicherin lebte von 1873 bis 1957 und galt als "streitbare Hausfrau". Das steht auch so in der aktuellen Neuauflage des Wittlicher Wörterbuchs nebst weiteren kurzen biografischen Daten (siehe Info). Doch warum ist diese Frau in der Stadt unvergessen geblieben und hat die Ehre, auf dem Brunnen, der die Originale der Säubrenner zeigt, als einzige Frau verewigt zu sein?

Um sie ranken sich viele Stadtgeschichten. Die Bekannteste ist die, die für den Volksfreund einst Karl-Heinz Kaspari als Zeitzeuge dokumentiert hat. Er ging nämlich mit Maasen Dorts Enkel Hanni in der Markusschule in die gleiche Klasse vom Jahrgang 1937. Und die hatte den strengen Lehrer Backes, der wohl auch seine Autorität ungerecht auslebte. Als Hanni einmal im Unterricht kein einziges richtiges Wort herausbekam, so sehr er sich auch bemühte, rief ihn zur Strafe der Lehrer nach vorne, damit Hanni sich vier Schläge mit dem Bambusstock über die Finger abholen konnte.

Kaspari erinnert sich: "Dabei hätten zwei Schläge auch gereicht. Als dann kurz danach die Pause begann, lief Hanni zu seiner Oma Dort und erzählte ihr, was der Lehrer in der Schule mit ihm gemacht hat. Da bekam die Oma Dort die Raserei und ging mit Hanni zur Schule. Ohne anzuklopfen ging sie ins Klassenzimmer und schrie den Lehrer an: ,Was hast Du mit meinem Hannichen gemacht, wofür hat der Junge für so einen Scheiß so viel Prügel bekommen?' Der Lehrer war ganz verdaddert und sagt: ,Das müssen Sie verstehen, Frau Maas, mir sind die Nerven durchgegangen!' Die Dort erwiderte darauf: ,So, und mir gehen sie jetzt auch durch', worauf sie sich bückte, einen Pantoffel auszog und mit voller Wucht dem überraschten Lehrer rechts und links auf die Wangen schlug. ,So, dann weißt Du für ein anderes Mal, was Dir blüht, wenn Du das noch einmal machst!' Dann verließ sie ruhig und stolz die Klasse. Wir Schüler haben uns nicht einmal getraut, uns der Schadenfreude hinzugeben."

Diese Geschichte der Frau, die sich nicht von Autoritäten schrecken lässt und die Schwächeren verteidigt, hat Ralf Schunk auch immer von seiner Mutter Ingrid erzählt bekommen, deren Oma Maasen Dort war. "Die Leute sagen, danach hat der Lehrer nicht mehr geschlagen. Das gefällt uns und hat uns unser ganzes Leben begleitet", sagt Ralf Schunk, der diese und weitere Geschichten auch an seine Kinder weitergegeben hat. "Alles war ja komplett märchenhaft und hochinteressant. Es gibt ja auch die Überlieferung, dass sie eine offene Wunde mit ihren Kräutern geheilt hat, sie kannte sich ja gut mit Pflanzen aus und war streng aber gerecht, so dass sie selbst eine unglaubliche Autorität wurde."

Schunks neunjähriger Sohn Raphael ist ebenfalls stolz, Nachkomme eines Wittlicher Originals zu sein: "Sie hat den Lehrer mit dem Pantoffel geschlagen, und ab da wurden die Kinder nicht mehr geschlagen. Das ist toll und auch irgendwie lustig!" Deshalb mache er auch am Brunnen, wo Maasen Dort verewigt ist, immer halt: "Und dann guck' ich sie so eine Minute an."

Einmal im Jahr wird die legendäre Frau, die auch Zigarren rollte und rauchte, sogar lebendig: beim Säubrennerschauspiel im Stadtpark vor der Eröffnung der Kirmes. Da wird sie sozusagen zur Zeitreisenden, denn die Eroberung der Stadt kann sie unmöglich miterlebt haben. Doch ihr Dialog mit dem nicht minder typischen Wittlicher "Stäächamattes" über Kuriositäten der jeweils aktuellen Stadtpolitik ist auch schon wieder fast legendär. Immerhin viele Hundert Menschen verfolgen das Jahr für Jahr. Und was hätte die Mutter von elf Kindern wohl zum Spektakel zur Säubrennerkirmes gesagt? Und wen würde sie heute mit dem Pantoffel in die Schranken weisen?

Wenn auch Sie eine historische Anekdote kennen, die an Maasen Dort oder einen der anderen auf dem Brunnen verewigten Originale erinnert oder wenn Sie zu einem lokalen historischen Ereignis eine persönliche Geschichte zu erzählen haben, schreiben Sie unter dem Stichwort "Stadtgeschichte" mit Namen, Adresse und Telefonnummer an die E-Mail-Adresse mosel@volksfreund.de. Wichtig ist, dass Ihre Geschichte höchstens 70 Druckzeilen (à 30 Anschläge) umfasst.

EXTRA DER BRUNNEN AM PLATZ AN DER LIESER

Der 2005 verstorbene Bildhauer Silvio d'ell Antonio hat den Bronze Brunnen mit den Reliefen 1984 geschaffen. Abgebildet sind die Wittlicher Originale und "Platt-Schwäätzer" Kiesjes German: German Kiesgen (1890 - 1973), Fischer und Naturfreund, der in der Hochstraße 32 wohnte; Kunzen Hubbchi: Hubert Ludwig Kunz (1897 - 1967), Straßenkehrer aus der Kalkturmstraße 46, zuletzt Hospital St. Wendelinus, verheiratet mit Maria Kunz, zwei Kinder; Kranzen Helijardchi: Hilarius Kranz (1865 - 1934), Kleinwarenhändler aus der Oberen Kordel 48. Ledig; Laubachs Hanni: Johann Georg Laubach, (* 1869 Wittlich), Kanalarbeiter und Sohn des Postillions Peter Laubach; Weinzen Stöffelchi: Stefan (?) Weinz (+ um 1960). Von ihm ist nur überliefert, dass er Weinbergsarbeiter und Straßenkehrer war; Nicht zuletzt als einzige Frau: Maasen Dort: Dorothea Maas, geb. Wirschim (1873 - 1957), Hausfrau aus der Oberen Kordel 13, verheiratet mit Johann Maas von der Hasenmühle, elf Kinder.

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