Ein dreifaches Hoch der Stadt

BERNKASTEL-KUES. Es dauerte 30 Jahre, bis sich Bernkastel und Kues zur Stadt vereinigten. Die für die heutige Zeit sehr vergnügliche Entstehungsgeschichte beherrschte die Jubiläumssitzung des Stadtrats.

"Bekanntmachung: Des Königs Majestät haben durch Allerhöchsten Erlass zu genehmigen geruht, dass die Landgemeinde Cues im Kreis Bernkastel zum 1. April des Jahres 1905 der Stadtgemeinde Bernkastel einverleibt wird, und dass diese Stadtgemeinde vom genannten Tage ab den Namen Bernkastel-Cues führt. Am heutigen Tag, 2. Mai 2005, findet aus diesem Anlass um 19 Uhr die öffentliche Sitzung des hochlöblichen Stadtrats auf dem Marktplatz zu Bernkastel-Kues statt." In allen vier Stadtteilen verkündet Ausscheller Otto Oster an diesem Tag die Botschaft und lädt zum Besuch beim "ehrenwerten Rat" ein. Der Stadtrat, an der Spitze der "ehrenwerte" Bürgermeister Wolfgang Port, lässt sich nicht lumpen. Die Damen und Herren haben sich mächtig in Schale geworfen, tragen feine Anzüge und Kleider, die an die Zeit vor 100 Jahren erinnern. Nicht alle Damen benehmen sich allerdings damenhaft. Die drei Vertreterinnen der Grünen kommen ebenfalls in Anzügen, denn schließlich hatten die Frauen damals weder Wahlrecht noch konnten sie gewählt werden. Gertrud Weydert, an diesem Abend nur "Herr von Wehlen" genannt, hat sich sogar einen Vollbart zugelegt. Der Stadtbürgermeister schaut mit Wohlwollen in die Runde. "Einigen Leuten gereichen die Kleider sehr zum Vorteil. Kleider machen eben Leute", stellt er fest. Vor 100 Jahren war noch vieles anders. Die Landtagsabgeordneten Günter Rösch und Alex Licht, die Port als "Hochwohlgeboren" bezeichnet, richten sich ob solcher Schmeichelei in ihren Stühlen ein wenig mehr auf. Auch die "Schreiberlinge", die Vertreter der Medien, werden begrüßt, allerdings erst im weiteren Verlauf der Sitzung. Der edle Rebensaft soll den Geist beflügeln

Der Stadtrat trifft an diesem Abend eine ganz wichtige Entscheidung. Auf Antrag von "Herr von Wehlen" beschließt er, zukünftig bei Ratssitzungen Wein auszuschenken. "Das ist einer der wenigen Anträge der Grünen, der direkt durchgeht", bemerkt Wolfgang Port. "Möge der edle Rebensaft Euren Geist beflügeln", wünscht "Mosella" Catherina dem Gremium. Gerhard Lenssen hält den Festvortrag. Er beschreibt den steinigen Weg, bis es zur Vereinigung von Bernkastel und Kues kam. Während dieser 30 Jahre dauernden Phase ging die Initiative immer von Bernkastel aus. Die dort Regierenden waren auf Gelände am anderen Moselufer aus. Jahrelang kam nur eine Antwort zurück: "Abgelehnt". Als sich beide Seiten geeinigt hatten, kam urplötzlich von Bernkasteler Seite ein Rückzieher. Er führte sogar zu einer Sondersitzung am Silvestertag des Jahres 1901. Und es dauerte weitere lange Jahre, bis sich Bernkastel und Kues zur Stadt Bernkastel-Kues vereinigten. "Nicht alles war gut damals", sagt Lenssen, der die Festschrift zusammengestellt hat. "Doch ich beneide die Menschen um den Optimismus, den sie in der Gründerzeit hatten", sagt er mit Blick auf die Gegenwart. Damals wurden Sitzungen mit einem dreimaligen Hochruf auf den Kaiser beendet. Diese Praxis nimmt auch Gerhard Lenssen auf. "Bernkastel-Kues lebe hoch, hoch, hoch", rufen der Rat und die etwa 250 "hochverehrten Festgäste", die sich auf dem Marktplatz versammelt haben. Der excellente Wein fließt an diesem Abend in Strömen, Musikverein und Bernkasteler Bürgerwehr sorgen für die Unterhaltung, Festschrift, Festmünzen, Festplakat und Festglas finden reißenden Absatz. Für einige, auch einen der "Schreiberlinge", wird es ein langer Abend. Und wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann dieses: Die vielen wohl gesetzten Worte sind in den hinteren Reihen kaum zu verstehen. Die Technik hätte also tatsächlich aus dem Jahr 1905 stammen können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort