Ein Fernseh-Detektiv zum Anfassen

Hetzerath · Zum Abschluss der Eifel-Kulturtage hat Schauspieler Leonard Lansink in Hetzerath aus dem Buch "Im Angesicht des Bösen" gelesen. Zunächst sorgte ein zäher Vortrag für einen durchwachsenen Eindruck. Stimmig geriet der Abend erst, als Lansink den 180 Zuschauern Gelegenheit bot, ihn in der Rolle des Privatdetektivs Georg Wilsberg kennenzulernen.

 Schauspieler Leonard Lansink. TV-Foto: Anke Emmerling

Schauspieler Leonard Lansink. TV-Foto: Anke Emmerling

Hetzerath. "Ich finde ihn sympathisch und bin einfach neugierig, ihn mal aus der Nähe zu erleben." Eine Zuschauerin bringt auf den Punkt, was die meisten der 180 Besucher ins Gemeindezentrum Hetzerath geführt hat. Es ist vorrangig das Interesse an Schauspieler Leonard Lansink, einer der beliebtesten deutschen Fernsehkrimifiguren, die er Kraft seiner Individualität geprägt hat - dem kantig-knautschig-kauzigen Münsteraner Privatdetektiv Georg Wilsberg. Lansinks Erscheinen auf der Bühne ist diesbezüglich gleich ein Aha-Erlebnis. Als hemdsärmeliger Typ in salopper Kleidung, ein bisschen knarzig und dabei trocken-humorvoll verwischt er die Grenze zwischen seiner Rolle und seiner Person, vermittelt Authentizität. Die tritt aber völlig in den Hintergrund, als er zu lesen beginnt. Da mag Distanz zum Werk eines Fremden eine Rolle spielen, sicher aber die Lektüre selbst. Der Text von Axel Petermann beschreibt die minutiöse Tatort- und Spurenanalyse des Profilers im Fall eines grausigen Mordes an einer jungen Frau. Was Thrillerautoren jedoch zugunsten einer Spannungskurve verdichten oder über literarische Figuren und deren Empfindungen erlebbar machen, walzt sich hier episch als nüchterner Polizeibericht aus. Die Sprache reduziert das Grauen auf sachliche Funktionalität, beschreibt exakt jedes, auch überflüssige Details. Der eher als Ausbildungsmaterial für angehende Polizisten geeignete Text bietet wenig Möglichkeit für einen Schauspieler, zu betonen und lebendig zu gestalten. Lansink liest ihn monoton vom elektronischen Lesegerät ab und wirkt dabei unvorbereitet. Er verhaspelt sich oft, nutzt nie die Möglichkeit, eine Passage zu überspringen oder in eigenen Worten zusammenzufassen. Erst als er sehr spät einmal ins Publikum schaut, nimmt er wahr, dass dort unruhig mit den Füßen gescharrt und gehüstelt wird. Mit den Worten: "Das geht über 60 Seiten so weiter", bricht er ab und lässt die einzig wirklich spannenden Fragen offen, durch was denn nun der Profiler auf den Täter kam und wer es war. Sie beantwortet er auch auf Nachfragen nicht, dafür aber alle Fragen zu seiner Person und seiner Arbeit.
Am Bühnenrand geht er mit seinem Publikum auf Tuchfühlung, posiert für Fotos, teilt Nettigkeiten aus und ist genau, wie man ihn von der Mattscheibe kennt. Als Schmankerl liest er dann eine äußerst witzige Geschichte des Wilsberg-Erfinders Jürgen Kehrer "Nie mehr Wilsberg". Der echte Detektiv Wilsberg leidet darunter, dass ihm ein Schauspieler seiner Identität beraubt hat, und der wiederum hat es satt, immer nur Wilsberg zu spielen, wo er sich doch großer Schauspielkunst verpflichtet fühlt. In dieser Lesung dreht Lansink auf, liest mit Humor und Verve, deklamiert donnernd Shakespeare-Passagen, dass es eine Freude ist. Das kommt gut an, denn das passt zu ihm. Und es trifft genauso die Publikumserwartungen wie die bereitwilligen Plaudereien aus dem Wilsberg-Dreh-Nähkästchen.

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