Ein Hunsrücker Dorf im Hexenwahn

Hunsrück · Im Jahr 1629 ist das Hunsrückdorf Roth auf Hexenjagd: In ihren Augen ist Elisabeth Laux eine Hexe. Mit diversen Foltermethoden versuchen sie ihr ein Geständnis zu entlocken. Am Ende ist Elisabeth Laux tot.

Hunsrück. Die Nacht zum 18. Juni 1629 in dem dunklen Verlies auf der Kastellauner Burg muss eine einzige Qual für Elisabeth Laux gewesen sein. Es ist wohl ihre letzte ohne Schmerzen. An Schlaf ist nicht zu denken. Wie kann sie dem Räderwerk der Hexenprozesse jetzt noch entkommen? Was wird aus ihren drei kleinen Kindern? Und vor allem: Wie soll sie das peinliche Verhör überstehen? Das umfangreiche Arsenal an Marterwerkzeugen hat man ihr zuvor schon präsentiert: Daumen- und Beinschrauben, glühende Eisen. Allein mit dem Anblick lassen sich Geständnisse erpressen.
Mit dem Teufel im Bunde


Doch Elisabeth Laux bleibt standhaft. Auch wenn der Frau aus Roth zwei Pfarrer am Vortag noch so sehr zugeredet haben, endlich eine Erklärung abzugeben. Keiner bezweifle, dass sie mit dem Teufel im Bunde ist. Vielleicht reden die beiden frommen Männer auch von der reinigenden Kraft der Flammen. Aber bei lebendigem Leib verbrennen? Innerhalb des breiten Repertoires frühneuzeitlicher Hinrichtungsmethoden ist das zweifellos eine der grausamsten. Und so weist sie die Anschuldigungen zurück - eine mutige Frau.
Doch als der Tag anbricht, dürfte ihr die Angst ins Gesicht geschrieben sein. Zitternd wird sie vors Tribunal geführt. Jetzt wird es ernst. Elisabeth Laux befindet sich in einem Dilemma. Soll sie doch noch gestehen, um sich die Folter zu ersparen? Nein! Sie nimmt den Kampf um ihr Leben auf. Nun wird sie von einem Priester exorziert, mit Weihwasser besprengt. Dann wird sie vom Henker entkleidet - eine höchst demütigende und ehrverletzende Prozedur: "Man rasierte und durchsuchte die Beschuldigten am ganzen Körper, schnitt ihnen die Nägel bis aufs Fleisch und kleidete sie in ein neues Hemd aus grobem Leinen", erklärt die Trierer Historikerin Dr. Rita Voltmer, die derzeit eine Ausstellung zur Hexenjagd in der Region in der Kastellauner Unterburg zusammenstellt. Denn das Gericht fürchtet, dass sie teuflische Amulette zum Schutz vor Folterqualen in Haaren oder Körperöffnungen bei sich tragen könnte.
Danach werden ihr die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden. Dreimal wird sie nach jeweils einer Viertelstunde Pause an den gefesselten Armen mit einem Seil nach oben gezogen. Bei der Tortur springen oft die Gelenke aus den Pfannen. Sehnen und Bänder der Arme werden überdehnt, bis sie reißen - eine Höllenqual. Doch Elisabeth Laux lenkt nicht ein.
In fremden Ställen unterwegs


Die Hunsrückerin wird verhaftet. Ein gewisser Melchior Koch aus Weißenburg wird beauftragt, ein juristisches Gutachten zu erstellen. Sein Fazit: Elisabeth Laux ist unschuldig. Er rät deshalb davon ab, die Folter fortzusetzen. "Wollte man durch Wiederholung der Tortur ein Bekenntnis von ihr erpressen, so sei solches für Nullität zu halten", schreibt er. Endlich mal ein heller Kopf in dieser dunklen Zeit. Doch die Hoffnung trügt, wie sich zeigen wird. Aber was wird der bemitleidenswerten Frau überhaupt vorgeworfen?
Mehrere Zeugen wollen gesehen haben, wie sie sich in fremden Ställen herumgetrieben hat, um das Vieh zu verhexen. Hintergrund: 1629 ist der Hunsrück längst vom Hexenwahn infiziert. Ende des 16. Jahrhunderts wütet die Pest in der Region. Später folgen Hungersnöte.
Folter geht weiter



Und jetzt tobt auch noch der Dreißigjährige Krieg, in dessen Verlauf ganze Landstriche verwüstet und entvölkert werden. Die Menschen sind empfänglich für religiöse Eiferer.
Laux wird zunächst zum gütlichen Verhör vorgeladen, weist die Anschuldigungen vehement von sich. Doch niemand glaubt ihr. Eine Farce nimmt ihren Lauf - mit tödlichen Folgen, wie sich zeigen wird. Denn auch das Gutachten wird sie nicht mehr retten. Als es in Kastellaun eintrifft, hat Amtmann von Sulburg längst die Genehmigung zur weiteren Folter eingeholt. "Daran wird deutlich, welcher Einfluss durchaus vor Ort in dieser Angelegenheit vorhanden war", schreibt Schellack. Bei der zweiten Folter kommt die Beinschraube zum Einsatz Die Tortur wird nun nochmals verschärft. Am 30. Juli wird der Richtspruch auf dem Gelände des Beller Markts vollstreckt. Die schwer misshandelte Elisabeth Laux wird auf einem Wagen herangekarrt. Sicher sind zahlreiche Schaulustige an der Hochgerichtsstätte des Amts Kastellaun erschienen, um die Hinrichtung zu verfolgen. Der Scheiterhaufen ist längst aufgeschichtet. Jetzt wird das Feuer entzündet. Elisabeth erlebt nicht mehr, wie die Flammen langsam an ihr emporzüngeln. In einem Akt christlicher Nächstenliebe ist sie zuvor enthauptet worden. Bleibt zu hoffen, dass der Scharfrichter an diesem Tag nüchtern ist.

Die Familie bleibt traumatisiert zurück. Und der Prozess hat auch finanzielle Folgen: Die Kosten treiben den Ehemann in den Ruin. Der älteste Sohn muss schließlich auswandern. Und durch das Geständnis geraten nun auch weitere Frauen und Männer ins Visier der Hexenjäger. Schon wenig später brennt der Scheiterhaufen erneut.

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