Ein Jahr und neun Monate für 1000 Euro

Wittlich · Weil er im Februar 2013 Kupferteile und einen Kleintransporter im Wert von über 50 000 Euro gestohlen hatte, hat das Amtsgericht Wittlich einen jungen Mann zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Wittlich. Vor Gericht gibt er sich schüchtern, blickt fast immer zu Boden. Mit leiser Stimme antwortet er auf die Fragen des Richters, will sich an vieles nicht mehr erinnern können.
Dem 21-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, im Februar 2013 mit einem Komplizen auf das Gelände der Westnetz GmbH in Wittlich eingedrungen zu sein und dort unter anderem Kupferkabel und einen Transporter entwendet zu haben. In einer vorbereiteten Erklärung seines Verteidigers Christian Ciurea gibt der Angeklagte die Tat zu. Doch auf Nachfragen von Richter Josef Thul zum Tathergang bleibt er vage. Es scheint, als wolle er nicht mehr zugeben als unbedingt nötig. Aus den Ermittlungen der Polizei und den Angaben des Angeklagten ergibt sich letztlich doch ein recht vollständiges Bild: Indem sie einen Zaun an der L 141 aufschnitten, verschafften sie sich Zutritt zum Gelände und hebelten dann das Rolltor zur Lagerhalle auf. Gezielt stahlen sie mehrere Rollen Kupferkabel und Kupferschrott sowie einen Transporter, mit dem sie das Diebesgut abtransportierten.
Hinter der holländischen Grenze in Venlo verkauften sie das Kupfer. "Vielleicht zwei oder drei Tausend Euro" hätten sie dafür bekommen. Auch hier verlässt den Angeklagten die Erinnerung. Etwa 1000 Euro davon habe er erhalten, gibt er an. Den Transporter ließen sie einfach stehen.
Die Polizei vermutet hinter dem Diebstahl eine organisierte Bande. Sie soll für insgesamt zwölf Einbruchdiebstähle in der Region Wittlich verantwortlich sein. Beweisen kann sie dies aber nicht. Verurteilt werden immer nur Einzelpersonen, so wie auch in diesem Fall. Bis zuletzt gibt der Angeklagte keine Hinweise auf die Identität des Mittäters. Es sei "ein flüchtiger Bekannter" gewesen, "ein Junge".
Flüchtige Bekanntschaften und Zufälle scheint es bei der Tat einige gegeben zu haben. Richter Thul will wissen, wie der Angeklagte, der zum Tatzeitpunkt in Duisburg lebte, auf das unauffällige Gelände in Wittlich aufmerksam wurde. "Zufällig gesehen", bleibt die unbefriedigende Antwort. Auch den Mann, dem sie das Kupfer verkauft haben, hätten er und der Mittäter nur zufällig ausfindig gemacht. So unbeteiligt er sich während der Verhandlung auch gibt, als seine extra angereiste Mutter nach den Plädoyers den Gerichtssaal betritt, fließen bei beiden die Tränen.
Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Richter sind sich über das Strafmaß einig. Ein Jahr und neun Monate wegen gemeinschaftlichem Diebstahl in einem besonders schweren Fall lautet das Urteil, ausgesetzt zur Bewährung.
Als das Urteil verlesen ist, wirkt der junge Mann erleichtert, hatte er doch in seinem Schlusswort gesagt, er wolle nach der Untersuchungshaft nie mehr ins Gefängnis zurück. cli

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