Ein Kirchlein für Einsiedler und Kühe

In vergangenen Zeiten haben die Bewohner von Lieser ihre Kühe in der Paulskirche untergestellt, wenn es gewitterte. Zuvor wohnten Eremiten in der Kapelle mitten in den Weinbergen. Heute besuchen auch Kurgäste das historische Kirchlein und werden an Sommersonntagen sogar bewirtet.

 Mitten in den Weinbergen bei Lieser steht die Paulskirche, viele Jahre Wohnort von Einsiedlern. TV-Foto: Erich Gerten

Mitten in den Weinbergen bei Lieser steht die Paulskirche, viele Jahre Wohnort von Einsiedlern. TV-Foto: Erich Gerten

Lieser. Die Paulskirche in den Weinbergen oberhalb von Lieser ist den Einheimischen und auch vielen Kurgästen vom Kueser Plateau bekannt. Wahrscheinlich freuten sich auch die Eremiten, die dort zwischen 1687 und 1861 einsam wohnten, über Besuch. Eremiten waren im 18. Jahrhundert im Erzbistum Trier gern gesehen und sogar bischöflich legitimiert. Denn sie hatten die einsam gelegenen Kapellen in der Region zu "observieren" und zu betreuen, wie es in den Akten des Bistumsarchivs Trier heißt.

In Lieser wurden die Einsiedler "Paulsbrüder" genannt. 1731 wohnten Christian Schmitz, "ist alt 59 Jahr", und Christoph Lyser, "ist alt 39 Jahr", in einem Anbau der Paulskirche. Christoph Lyser wird vom bischöflichen Visitator als "ungehorsamer Bruder" bezeichnet und 1732 zum Tausch mit Franz Schettgen aus der Eremitage Unkenstein (zwischen Wittlich und Plein) verpflichtet, auch weil er "wegen Schlagen seines Mitbruders Christian Schmitz" für Unruhe gesorgt hatte.

1734 bewohnte Christian Schmitz die Eremitage alleine, in der ohnehin "nur eine Kammer undt eine Stuben" vorhanden waren. Von 1736 an teilte er sich die Eremitage mit Hieronymus Lyck. "Der Herr Pastor zu Lieser ist gar wohl Contant mit beiden", was soviel heißen soll, dass er recht vertraut mit den Paulsbrüdern und zufrieden mit deren Lebenswandel war.

Mitte des 19. Jahrhunderts wohnte im Vorbau der Paulskirche der letzte Eremit, der unter dem Namen "Paulsbruder Rickes" in der ganzen Gegend bekannt war. Er hielt die Kirche in Ordnung, läutete die Betglocke, betete in eigenen und fremden Anliegen und hielt jeden Sonntagnachmittag eine Andacht. Er hielt sich Ziegen, hatte einen schönen Bienenstand und sammelte Heilkräuter. In der Hauptsache aber lebte er von Almosen, die er sich in den umliegenden Dörfern erbettelte. Rickes stammte aus dem Osten Deutschlands. Dieser letzte Paulsbruder namens Johann Christoph starb 1861.

Die Eremiten hatten oberhalb der Paulskirche auf einem kleinen Plateau im Weinberg einen Nutzgarten angelegt und sich mit Gemüse und Kartoffeln versorgt. Die Lieserer selbst nutzten die Kapelle Mitte des 20. Jahrhunderts schon mal als Unterschlupf, wenn beim Arbeiten in den Weinbergen ein Gewitterregen einsetzte. Noch heute wird erzählt, dass dann sogar die Kühe, die als Zugtiere dabei waren, mit hinein in die Paulskirche genommen wurden. Heute werden an sonnigen Sommersonntagen Besucher von Mitgliedern des Lieserer Pfarrgemeinderates mit erfrischenden Getränken im Vorraum der Kapelle bewirtet.

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