Ein rotes Dach beschäftigt die Justiz

Veldenz · Das Verwaltungsgericht Trier hat entschieden: Ein Hausbesitzer aus Veldenz durfte sein Dach mit roten Ziegeln decken, obwohl der Bebauungsplan etwas anderes sagt. Die Gemeinde erwägt nun den Schritt vor das Oberverwaltungsgericht.

 Die Eheleute Conrad haben vom Verwaltungsgericht recht bekommen. Sie dürfen ihr Dach mit roten Ziegeln decken. TV-Foto: Klaus Kimmling

Die Eheleute Conrad haben vom Verwaltungsgericht recht bekommen. Sie dürfen ihr Dach mit roten Ziegeln decken. TV-Foto: Klaus Kimmling

Dieser Tag bleibt an der Mittelmosel unvergessen: Innerhalb weniger Minuten zerstörte ein Hagelsturm am 26. August 2011 in einigen Orten Hausdächer, Fassaden, Autos und Gewächshäuser. Besonders schlimm traf es Veldenz. Die Eisbrocken zerstörten alleine 300 Dächer. Die meisten Schäden sind beseitigt. "Der Ort präsentiert sich schöner denn je", sagte Beigeordneter Günter Pelzer vor zwei Monaten dem TV.
Schöner denn je? Zumindest einen Makel gibt es nach Ansicht der Gemeindeverwaltung. Im Neubaugebiet ist eines der sanierten Häuser mit roten Dachziegeln gedeckt worden.
Dabei schreibt der Bebauungsplan die Farbe schiefergrau vor. Damit soll der regionaltypische Charakter herausgestellt werden.
Einer tanzt aus der Reihe


Doch einer spielt in diesem Konzert nicht mit. Winzer Manfred Conrad hat sein Haus mit roten Ziegeln decken lassen. Dies sei mit ausdrücklicher Erlaubnis des zuständigen Mitarbeiters der Kreisverwaltung erfolgt. "Unter Zeugen wurde mir gesagt: Decken Sie das Dach, wie Sie wollen." Das tat er dann auch. Sehr zum Unwillen der Gemeinde, die deshalb gegen die Kreisverwaltung klagte.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier bestätigt nun die Meinung der Kreisverwaltung. Die hatte den aus dem Jahr 1983 stammenden Bebauungsplan überprüft. Dies habe, so Pressesprecher Manuel Follmann, ergeben, dass die Festsetzung der Dachfarbe ohne Begründung erfolgt sei.
Das Verwaltungsgericht schreibt in dem Urteil unter anderem: Gemeinden stehe zwar das Recht zu, Vorschriften über die Baugestaltung zu machen. Die Bebauung in dem betroffenen Gebiet werde durch unterschiedliche Baustile, Dachformen und Fassaden geprägt. Von "großer Baufreiheit" ist da die Rede. Ein Zwang für eine einheitliche Dachfarbe lasse sich daher nicht begründen, auch nicht mit dem Hinweis auf regionaltypische Elemente.
Manfred Conrad freut sich über das Urteil "im Namen des Volkes". Er habe sein Dach vor Weihnachten dicht haben wollen. "Denn es ist nicht schön, wenn es ins Bett regnet", sagt er. Die roten Ziegel seien sofort verfügbar gewesen. Deshalb habe er sich umgehend an die Kreisverwaltung gewandt. Nach seiner Meinung stört die Farbe auch niemanden. Außerdem liege sein Haus außerhalb des Ortskerns.
Ortsbürgermeister Norbert Sproß und Günter Pelzer dagegen verstehen die Welt nicht mehr. Vor einigen Jahren habe die Kreisverwaltung in gleichartigen Fällen noch anders entschieden.
Begründung für Vorschriften


Das bestätigt Bernhard Kien, Bauamtsleiter der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues. Seither habe sich aber die Rechtsprechung geändert. Es reiche nicht mehr, einen solchen Passus einfach in eine Satzung oder einen Bebauungsplan hineinzuschreiben. Kien: "Gründe, um etwas auszuschließen, müssen neu definiert werden." Zum Beispiel, damit sie auch von bauwilligen Nichtmoselanern verstanden werden.
Die Gemeinde Veldenz erwägt nun den Schritt vor das Oberverwaltungsgericht. "Sonst brauchen wir in Zukunft überhaupt keine Satzung mehr zu erlassen", sagt Ortsbürgermeister Sproß. "Dann sind bald alle Moselorte bunt." Manfred Conrad kann sich dagegen ganz ruhig und entspannt zurücklehnen. Falls es doch noch ein Urteil zugunsten der Gemeinde gibt, will er sich am Kreis Bernkastel-Wittlich schadlos halten.Meinung pro

Vielfalt unter Dach und Fach
Jedem Tierchen sein Pläsierchen: ein verniedlichender Spruch, in dem viel Wahrheit steckt. Es ist zwar verständlich, dass den Veldenzern ihr Ortsbild am Herzen liegt - zum einen, um zu gefallen, zum anderen, um das Moseltypische zu bewahren. Dieses Ortsbild aber lässt sich nicht an der Farbe der Dächer festmachen. Ein Hausanstrich in grellem Rosa oder Blau, ein Schutthaufen vor der Tür oder bröckelnder Putz stechen weitaus negativer ins Auge als ein ziegelrotes Dach. Man mag noch so kleinlich sein: Dächer sieht man in der Regel eben nur von oben. Es ist doch die Vielfalt, die einem Dorf ein Gesicht gibt - die Vielfalt der Menschen und ihrer Eigenheiten. Sie kennenzulernen - das ist es, was die Besucher schätzen: kein Einheitsbrei, sondern Charakter. Etwas mehr Freiheit für Hausbesitzer sollte also drin sein. Zumal in Veldenz die Freude überwiegen sollte, den Hagel und seine Folgen so gut gemeistert zu haben. u.quickert@volksfreund.de
Meinung contra

Ein Stück Heimat auf dem Dach Grau dürfte nicht gerade die Lieblingsfarbe der Menschen sein. Nicht umsonst mögen viele Leute den grauen November überhaupt nicht. Doch die Farbe schiefergrau ist nicht ohne Grund für die Dächer der Dörfer an der Mosel ausgewählt worden. Hier wächst der beste Riesling der Welt - auf Schieferboden. Natürlich müssen dessen Farben deshalb nicht zwangsläufig auch auf den Dächern der Region vorherrschen. Zumindest in dieser Hinsicht hat sich aber über die Jahrhunderte ein Bewusstsein für die Heimat eingebürgert. Diese Tradition wird weitergegeben. Wir Moselaner leben in einer einmaligen Kulturlandschaft. Ein rotes Dach kann sie nicht zerstören. Wenn es aber keine Regeln gibt, wird sich dies ändern. Winzer Conrad hat eine Lücke im Bebauungsplan genutzt. Dort liegt der Ansatz. Was jahrelang Gültigkeit hatte und allgemeine Meinung ist, wird mit einem Federstrich für ungültig erklärt. So geht es nicht! c.beckmann@volksfreund.deExtra

Nach Auskunft von Bauamtsleiter Bernhard Kien bestätigt jeder Bebauungsplan der Moseldörfer in der VG Bernkastel-Kues den schiefergrauen Anstrich. Ende der 1990er Jahre habe es aber erste Gerichtsurteile gegeben, die die fehlende Begründung monierten. Wenn die Gemeinde Veldenz beispielsweise wieder mehr Rechtssicherheit wolle, müsse sie den Bebauungsplan ändern. Darin wird außerdem unter anderem geregelt, wie viele Geschosse ein Haus haben darf. Ein Gemeinderat könne sogar regeln, ob die Garage links oder rechts vom Haus steht. Eine Handhabe über den Baustil oder die Farbgestaltung der Fassaden gebe es allerdings nicht. Kien: "Da gilt die architektonische Freiheit." Wolle eine Gemeinde auch so etwas regeln, müsse sie eine Gestaltungssatzung haben. Eine solche gibt es beispielsweise in der Stadt Bernkastel-Kues. cb

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