Ein Tag für Stöberer

WITTLICH. Die Sonne glitzert und die Augen mancher Kunden, die einen "guten Fang" gemacht haben, auch: Das fröhliche Flanieren vieler Menschen durch Wittlich zum zweiten Flohmarkt der Einzelhändler am Samstag zeigt: Die Extra-Aktion kommt gut an.

Annette Rötel hat sich warm verpackt: "Wenn Sie wüssten, was ich alles anhabe: Motorradkleidung, Nierenwärmer! Aber das Wetter ist super optimal!" Über ihr flattern bunte Fähnchen unterm Schirm, denn auch das Uhren- und Goldwarengeschäft in der Karrstraße ist mit seinem Angebot "auf die Straße gegangen", an diesem frisch-kalten Samstagmorgen. Ein paar Meter weiter werden vor dem Schuhgeschäft Scholtes hunderte Schuhpaare in Reih und Glied hin gestellt.Georg Klein: "Es geht richtig lustig zu"

Ein Man mit einem riesigen Kissen unterm Arm geht vorbei. "Der hat sich was bei Kleins geschnappt", kommentiert eine Frau und lacht: "Jetzt kann seine Frau alleine weiter stöbern." Lange Tische stehen vor dem Möbelhaus in der Himmeroder Straße. Inhaber Georg Klein ist bester Stimmung: "Es geht richtig lustig zu. Dieses Kramen und Gucken. Und heute darf auch gehandelt werden. Außerdem entstehen nette Unterhaltungen." Gerade bewundert eine Dame das hübsche Puppensofa auf dem Bürgersteig. "Wir haben in allen Ecken und Etagen gesucht und verkaufen alles zu Sonderpreisen", sagt Georg Klein. Gerda Brand prüft derweil die Deckchen. Ein paar Meter weiter glitzert Schmuck in der Sonne: "Alles zum halben Preis." Das verführt, und manch eine Kette der Goldschmiedin Manuela Schrot schmückt demnächst Frauenhälse. Auch Gregor Fischer von der Parfümerie in der Burgstraße, der den Flohmarkt mitorganisiert hat, ist zufrieden. Schon kurz nach neun Uhr hat er die Standgebühr erwirtschaftet: "Wir haben Topwetter und eine super Beteiligung. Ich hoffe auf einen großen Erfolg." Eine 14-jährige Greimeratherin hat schon ein Schnäppchen ergattert: eine kleine Handtasche. "Die brauche ich für Fasching. Sie ist hübsch, und meine Lieblingstasche will ich da nicht mitnehmen." Neben ihr beugt sich ein Mann über einen Bücherstapel vor der Burgtor-Apotheke und wird fündig. "Die Idee gefällt mir außerordentlich gut", sagt Norbert Güttsches. Er ist extra aus Daun angereist: "Das war schon im vergangenen Jahr eine tolle Erfahrung. Ich habe mich richtig auf den Flohmarkt gefreut, als ich davon gelesen habe." "Es ist für Wittlich wichtig, dass so etwas Besonderes passiert", sagt Ruth Tauran, die Mode anbietet: "Die Kleidung wird sehr gut angenommen, und man kommt auch einfach einmal ins Gespräch." Auch Claudia Reis in der Neustraße ist es noch nicht langweilig hinter ihrem Stand geworden: "Die ersten Kunden kamen schon vor neun Uhr. Es wird nach warmen Sachen und Schuhen geschaut." Karsten Mathar vom Verein Wittlich Stadtmarketing, der hinter der Aktion steht, schätzt, dass etwa fünf Mal so viele Menschen wie sonst am Samstag Wittlich besuchen: "Von Kunden wie Kaufleuten höre ich nur Positives. Das könnte eine Initialzündung sein, um weitere Aktionen an Samstagen zu starten." "Zwei Euro, das ist aber preiswert", freut sich derweil eine Kundin vor dem Friseursalon Ehlen. Vor ihr liegt ein Paar riesige Papp-Ostereier, darunter Adventskalender. "So einen habe ich auch", kommentiert eine Wittlicherin. "Da stecke ich mir dann Rubbellose hinein und habe jeden Tag einen Spaß."Ein edler Räuber für die Kinder

So ungewöhnlich wie das Verkaufen an den Tischen vor der Ladentür ist das Angebot: Vor der Buchhandlung Fischer-Weins stehen Deko-Schweine und Bären. Ein Kind hebt einen Meister Pezz hoch und fragt: "Mama, was kostet das?" Die Mutter hat dagegen einen Chrom-Briefkasten entdeckt. Sie ist noch unschlüssig. Später marschiert eine andere Frau stolz mit demselben unterm Arm nach Hause, andere schleppen dicke Tüten Richtung Parkplatz. Nur einer will nichts verdienen: Pole Poppenspäler, alias Günther Cremer, der im Hotel Well zu zwei Vorstellungen lockt. Der Eintritt ist für die Opfer der Flutkatastrophe gedacht. Seine älteste Zuschauerin ist Anka Pauly, 94 Jahre. Sie sagt: "Das ist doch enorm, was der hier macht! Das ist ein toller Mann." Der Puppenspieler lacht und sagt: "Sogar der Räuber Hotzenplotz spielt heute umsonst. Der ist ein edler Räuber. Das hat man zwar auch dem Schinderhannes nachgesagt, aber das ist ja nur Legendenbildung."

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