Ein Vormittag hinter Gittern

WITTLICH. Für einen Vormittag hinter Gitter: Rund 100 Mädchen und Jungs aus dem Landkreis schauten sich gestern den modernen Strafvollzug aus der Nähe an. Den Sieg im dort ausgetragenen Fußballturnier trugen die Jungs aus der Jugendstrafanstalt davon.

Nur wenig zur Kenntnis genommen werde im öffentlichen Bewusstsein die schwierige und engagierte Arbeit der Justizbediensteten, befindet Justizminister Herbert Mertin. Damit das anders wird, öffnete er gestern am zweiten Tag des Strafvollzuges landesweit die Haftanstalten.Fußballturnier mit den Strafgefangenen

In Wittlich durften vier Schulklassen für einen Vormittag "hinter Gitter": Genutzt haben das Angebot die Regionale Schule Salmtal, das Nikolaus-von-Kues-Gymnasium Bernkastel-Kues, die Wittlicher sowie die Bernkastel-Kueser Berufsbildende Schule. Gruppenweise verschafften sie sich einen ganz persönlichen Überblick über mögliche Berufsfelder, über Alltag und Entwicklung des Strafvollzuges im Lauf der Jahrzehnte. Das wohl spannendste Angebot: ein Fußballturnier auf dem Gefängnisgelände. Jungs und Mädchen ab 15 Jahren aufwärts traten gegen eine Mannschaft aus der Jugendstrafanstalt JSA an. Sieger blieben die Gefangenen, "wie eigentlich immer bei solchen Veranstaltungen", weiß ihr Trainer Achim Roos. Der ist übrigens auch außerhalb von zentralen Aktionstagen gerne zu Turnieren bereit: In der hauseigenen Halle und unter Beachtung aller nötigen Sicherheitsauflagen, versteht sich. Peter Kampka weiß das: Er steht als Lehrer an der Berufsoberschule für Sozialwesen im regelmäßigen Kontakt mit der JSA, bildet er doch Menschen aus, für die der Strafvollzug ein mögliches Arbeitsumfeld darstellt. Eine frühe Berührung kann also nur von Nutzen sein. Eine seiner Schülerinnen ist Nathalie Kiel. Sie trat heute gegen die "Knackis" im Fußball an und bezeichnet deren Spielweise als auffallend sportlich und fair. "Würde ich den Jungs auf der Straße begegnen, würde ich keinen Unterschied sehen." Überhaupt war sie angenehm überrascht vom Leben hinter den Gefängnismauern. Vadym Bazdyrkin vom Nikolaus-von-Kues-Gymnasiums dagegen zweifelt an der Aussagekraft eines einzigen Vormittags. Die Fußballer seien vermutlich ausgewählte, eher brave Jungs. "Draußen steht ja auch ein Aufpasser; der steht sicher nicht umsonst hier." Vadym ist mit Paul-Josef Schömann-Finck in der Strafanstalt, Sozialkundelehrer und schulischer Berater für die Berufsfindung. Für ihn ist der heutige Besuch mehr als eine praktische Ergänzung seines Unterrichts. Er bilde "jeden einzelnen Staatsbürger" und weite den Horizont. Theoretischer als im Sport geht es in den anderen Schülergruppen zu: JSA-Leiter Otto Schmid und JVA-Leiter Franz Kohlhaas stellen sich persönlich den Fragen der jungen Besucher nach Speiseplan, Strafmaß, Drogen, Selbstmord-, Rückfall- und Ausbruchsquoten. Wie oft dürfen Gefangene Besuch bekommen? Wie ist das mit den Päckchen? Wer kommt wann und wie genau in den Genuss von Hafterleichterungen? Wer wäscht, putzt und kocht im Gefängnis eigentlich für die Insassen?Neue Plätze sollen geschaffen werden

Auch Staatssekretärin Stefanie Lejeune hat sich Zeit genommen. Die Konfrontation junger Menschen mit den Realitäten hinter Gittern hat für sie einen hohen Stellenwert: Die teils falschen Vorstellungen könnten auf diese Weise richtig gestellt und von den Schülern weiter in die Gesellschaft hineintransportiert werden. Den stetig steigenden Häftlingszahlen trete die Justiz mit der Schaffung neuer Plätze entgegen, so Lejeune. Bekanntermaßen werde ja auch der Standort Wittlich vergrößert - das sei allerdings äußerst schwierig im laufenden Betrieb. Staatssekretärin Stefanie Lejeune bat um langen Atem bei der Umsetzung der Pläne.

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