Eine Ahnung von Himmel

Eine Bekannte erzählte kürzlich von einer einschneidenden Erfahrung. Jahrelang arbeitete sie mit ihrem Kollegen zusammen.

Sie kannte ihn als Macher, als einen, der seine Ziele rigoros verfolgte und niemanden neben sich gelten ließ. Sein Umgangston war nüchtern und pragmatisch, oft schroff und verletzend. Sie kamen miteinander klar, aber es blieb eine kühle Distanz.
Vor einiger Zeit nun musste sie auf ihn warten, während er noch eine Arbeit zu Ende führte. Sie ertappte sich dabei, wie sie ihn beobachtete. Hochkonzentriert, aufmerksam, bestrebt die Zusammenhänge zu erfassen, war er ganz auf seine Beschäftigung fokussiert.

Seine Gesichtszüge wirkten entspannt, zart, fast verletzlich. Das war ein Wendepunkt, sie sagt: Eine Offenbarung. Zu ihrer eigenen Überraschung spürte sie ein tiefes Einverständnis mit dem Kollegen, ein grundsätzliches "Ja" zu ihm. Seit der Zeit hat sich ihre Einstellung geändert. Sie begegnet ihm freundlich, ist hilfsbereit und kann mit seinen "Ausfällen", die interessanterweise immer seltener werden, großzügiger umgehen und sich selbst besser schützen.

Unvoreingenommen hinschauen, wahrnehmen, was "abgeht", die Eindrücke wirken und sich von Menschen und Ereignissen berühren lassen, ist eine Haltung, die befreit. Sie ist empfänglich für neue Möglichkeiten, eröffnet Spielräume und hilft, das Potenzial in Neuem oder Befremdlichem zu entdecken. Es ist die Haltung Jesu. Sie ist Ausdruck seines Vertrauens auf Gott.

Das Fest Christi Himmelfahrt, das wir Christen an diesem Donnerstag feiern, weist in diese Richtung. Der Himmel ist schon jetzt in unserer Welt zu entdecken. Er findet sich dort, wo uns Hoffnung zuwächst, wo Menschen einander wohlwollend begegnen und damit rechnen, dass Gott uns in der Wirklichkeit unseres Alltags begegnen will.

Monika Bauer-Stutz, Pfarreiengemeinschaft Bernkastel-Kues

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