Eine Familie und zwei Kriegsgenerationen

St Aldegund · Manche Menschen hatten gleich doppelt Pech: Sie wurden nicht nur im Ersten Weltkrieg an die Front geschickt, sondern auch noch einmal im Zweiten Weltkrieg. Peter Stein aus St. Aldegund erinnert sich an seinen Schwiegervater.

 Peter Stein zeigt die alten Dokumente aus dem Krieg, die er aufbewahrt. TV-Foto: Hans-Peter Linz

Peter Stein zeigt die alten Dokumente aus dem Krieg, die er aufbewahrt. TV-Foto: Hans-Peter Linz

St. Aldegund. Mit seinen 92 Jahren steht Peter Stein noch mitten im Leben. Zwar hat der Winzer aus St. Aldegund den Betrieb an seine beiden Söhne abgegeben, aber ein wenig Wein verkauft er noch selbst und hilft noch mit. Die vergangenen Jahrzehnte waren ausgefüllt mit Arbeit im Weinbetrieb, aber auch mit schönen Anlässen und interessanten Begegnungen, wie etwa mit Vico von Bülow, der ihm ein Weinetikett mit der "Steinlaus" gestaltet hat. Aber es gab auch harte Zeiten im Hause Stein. "Ich war sieben Jahre lang Mitglied der Wehrmacht," erzählt Stein. Er sei beim Afrika-Feldzug unter Generalfeldmarschal Rommel dabeigewesen und schließlich in Tunesien in Kriegsgefangenschaft gekommen. Er war zuerst in einem amerikanischen Lager, dann in einem britischen. 1947 kam er nach Hause und heiratete zwei Jahre später seine heutige Frau. "Verdammt, jetzt schaffst Du was für Dich selbst - habe ich mir dann gesagt und einen Weinberg aufgebaut," erinnert sich Stein. Er kramt im Wohnzimmerschrank herum und findet ein paar alte Dokumente. "Ich habe wenigstens nur einen Krieg mitgemacht, aber mein Schwiegervater, den haben sie gleich zwei Mal gezogen, sagt er. Je nach Alter habe man eben Pech gehabt und musste nach dem Ersten Weltkrieg auch im Zweiten Weltkrieg erneut an die Front. "Der Jahrgang 1900 hatte eine völlig verlorene Jugend," sagt Stein und zeigt das Kriegstagebuch seines Schwiegervaters. 1914 in Nancy und an der Somme, 1915 in Wilnius (Litauen) und später in Krasnopol (Polen) - Steins Schwiegervater hat viele Kriegsschauplätze überlebt. Er erzählte nicht all zuviel davon in der Familie. Zu stark waren die Emotionen und Erinnerungen. Erst später habe man die Aufzeichnungen des Vaters gefunden, erzählt Stein. Er bewahrt alle Briefe und Dokumente auf und untersucht sie. Es sind viele Aufzeichnungen dabei, die von den Entbehrungen und Ängsten berichten, die die Soldaten damals auf sich nehmen mussten. Aber er hatte auch ein besonderes Gedicht geschrieben, das das Schicksal dieser Generation beschreibt: Jahrgang 1900Als sie jung waren,galt, was die Alten sagen.Als sie einen Beruf lernen wollten, brach der Erste Weltkrieg aus.Als sie eine Familie gründen wollten,kam die Wirtschaftskrise.Als sie in den besten Jahren waren,kam der Zweite Weltkrieg.Als sie alt waren,galt, was die Jungen sagen. Auch der Zweite Weltkrieg hat Spuren in der Familie hinterlassen. "Einer meiner beiden Brüder ist in Russland gefallen, der andere kam 1947 todkrank aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Hause," sagt Stein. Und Stein selbst wäre es fast wie seinem Schwiegervater ergangen. Denn als die junge Bundesrepublik ihre Armee neu aufbaute, sollte auch Stein wieder eingezogen werden. "Da habe ich so lange protestiert, bis die Ruhe gegeben haben," erzählt er. Was Krieg betrifft, nimmt der Winzer aus dem Moselort St. Aldegund kein Blatt mehr vor den Mund: "Ich hab\' die Schnauze voll davon. Wir haben genug Opfer gebracht. Es war ein hässliches Jahrhundert!" hplvolksfreund.de/wk1

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