Eine Frage, keine Antwort

Fassungslos sind viele Menschen nach dem Amoklauf am Mittwoch im baden-württembergischen Winnenden. Eine Antwort auf die Frage nach dem "Warum" gibt es nicht. Auch im Kreis Bernkastel-Wittlich sind Schüler, Lehrer und Eltern zutiefst betroffen.

Bernkastel-Wittlich. Mit Entsetzen und Fassungslosigkeit reagieren Schüler, Lehrer und Eltern im Landkreis Bernkastel-Wittlich auf den Amoklauf in Winnenden, der am Mittwoch 16 Menschen das Leben gekostet hat. Die Stimmung ist allerorten bedrückt.

"Wir sind zutiefst bestürzt", sagt Adolf Hieronimus, stellvertretender Leiter der Sophie-Scholl-Realschule Morbach. "Wir hoffen nicht, dass so etwas einmal bei uns passiert, aber ausschließen kann man das wohl nirgendwo mehr." Jeder denke immer, dass so etwas nicht in der eigenen Schule vorkomme, meint auch Schulelternsprecherin Marion Schaupeter. "Ich wüsste aber nicht, wie man so etwas verhindern könnte."

Dass die Schüler das Thema Amoklauf gleich in der ersten Stunde angesprochen haben, berichtet Bruno Niederprüm, Schulleiter der Freiherr-vom-Stein-Realschule Bernkastel-Kues. "Sie projizieren das, was geschehen ist, auf unsere Schule. So nah ist das Thema an sie herangekommen." Schülersprecherin Aline Ackermann (15) macht sich andere Gedanken. Sie findet es nicht gut, dass so viel über das Thema in den Medien berichtet wird. "Vielleicht bestärkt das ja diejenigen, die auch noch so etwas planen."

"Man muss die Augen offen halten, und die Lehrer müssen sensibel sein", sagt Sabine Becker, Schulleiterin an der RegionalenSchule Thalfang. Es herrsche Fassungslosigkeit und "ein mulmiges Gefühl" an ihrer Schule. "Wir haben bereits in jeder Klasse darüber gesprochen. Wir hoffen, dass in unserer kleinen Schule Schüler oder Ehemalige, die sich komisch verhalten, eher auffallen."

"Die Stimmung ist bei uns wie überall: gedrückt", sagt Heinz Herrmann, Leiter des Gymnasiums Traben-Trarbach. "Wir haben in der ersten Stunde mit allen Schülern eine Andacht auf dem Schulhof gehalten, haben eine Kondolenzliste ausliegen und ein Kreuz im Eingangsbereich aufgestellt. Die Erkenntnis, dass so etwas überall passieren kann, macht die Schüler fassungslos." Das bestätigt auch die 18-jährige Sabine Junglen, stellvertretende Schülersprecherin: "Wir überlegen, wie man so etwas verhindern kann. Aber das ist wohl nicht möglich."

Alfred Schmitt, Schulleiter am Nikolaus-von-Kues-Gymnasium Bernkastel-Kues sagt: "Wir hatten selbst vor einem halben Jahr eine Amok-Androhung und sind daher besonders sensibilisiert für dieses Thema. Wir müssen mit den Schülern im Gespräch bleiben und greifen auf professionelle Hilfe von außen zurück. Wir wollen vorsichtig sein, aber nicht übervorsichtig. Denn wir wollen keine Ängste schüren." Schülersprecher Julian Knop (18) zufolge sorgen sich die Schüler jedoch im Großen und Ganzen nicht, dass so etwas auch an ihrer Schule passieren könnte.

"Wir haben der Opfer des Amoklaufs in einer Gedenkminute gedacht, und unser Vertrauenslehrer hat mit den Schülern meditiert. Wir wollen das Thema in jeder Klasse altersgerecht aufarbeiten", sagt Matthias Richter, Schulleiter der Regionalen Schule Salmtal. Auch wenn er es sich für seine Schule nicht vorstellen könne - ein Amoklauf könne wohl überall passieren, meint Schülersprecher Pablo Schmitz (17).

Der stellvertretende Schulleiter des Cusanus-Gymnasiums Wittlich, Wolfgang Mayer, erzählt, man wolle behutsam mit den Schülern über den Amoklauf reden. "Wir wollen Ängste nicht untermauern. Die Lehrer sollen objektiv mit den Schülern über die Fakten sprechen."

"Eine leichte Verunsicherung ist bei den Kindern und den Kollegen zu bemerken", berichtet Marlies Sachau-Zeies, Schulleiterin der Kurfürst-Balduin-Realschule Wittlich. "Solch ein Ereignis macht einem klar, dass man nicht für alles eine Vorsorge treffen kann. Diese ist aber wesentlich und sollte auch im Elternhaus stattfinden." Das Umfeld habe versagt, meint der stellvertretende Schulelternsprecher Walter Martini. "Warum ist niemand darauf aufmerksam geworden?", fragt er. In Wittlich werde hingegen sehr auf die Schüler geachtet. "Es gab schon einmal einen Fall von Mobbing, und da wurde sehr gut reagiert."

In der Regionalen Schule Manderscheid herrscht ebenfalls große Betroffenheit. Dass so etwas an seiner Schule passieren könnte, kann sich Schulleiter Karl Weins nicht vorstellen. "Aber das konnten die Kollegen in Baden-Württemberg bis zum Mittwoch wohl auch nicht." Ihre Mitschüler hätten teilweise jedoch große Angst, "dass das auch bei uns passieren kann", erzählt Schülersprecherin Lena Schmitz (15).

Seine Kollegen seien sehr erschüttert, sagt Michael Forster, Schulleiter am Peter-Wust-Gymnasium Wittlich. Bei den Schülern sei das bislang weniger spürbar. "Was die Kriseninterventionsarbeit betrifft, sind wir in Wittlich auf einem guten Weg. Die weiterführenden Schulen arbeiten mit der Polizei und dem Schulpsychologischen Dienst zusammen. Wir treffen uns regelmäßig und arbeiten auch intern weiter an der Verbesserung." Es sei wichtig, auf die Schüler zu achten und mit den Eltern zusammenzuarbeiten, um mehr über die häuslichen Zustände zu erfahren.

"Solch eine Situation kann man sich nicht vorstellen", sagt Rosemarie Bölinger, Schulleiterin der Dualen Oberschule Wittlich. "Kann so etwas auch bei uns passieren? Für meine Schule würde ich gerne sagen: Nein. Aber man kann eine Schule eben nicht hermetisch abriegeln." Schülersprecher Sisnik Ajvazi (17) berichtet, dass viele seiner Mitschüler geschockt seien. "Wir können nicht verstehen, wieso das passiert ist." Dass so etwas an seiner Schule passiert, kann er sich nicht vorstellen. "Wir verstehen uns hier alle sehr gut untereinander."

"Man darf nicht denken, dass uns das nie passieren könnte", meint auch Doris Hermesdorf, Schulleiterin an der Friedrich-Spee-Realschule Neumagen-Dhron. "Einen hundertprozentigen Schutz gibt es wohl nicht."

Die Betroffenheit und das Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer des Amoklaufs seien auch an der Konrad-Adenauer-Realschule Traben-Trarbach groß, berichtet Konrektor Joachim Zöpfchen. "Die Schüler sind vor allen Dingen ratlos. Wir müssen mit den Schülern im Gespräch bleiben und ein offenes Verhältnis pflegen, um früh über solche Vorgänge informiert zu sein. So etwas bahnt sich ja nicht kurzfristig an."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort