Eine weit entfernte Welt

WITTLICH. (peg) Zur Eröffnung von "Ja - damals", einem Projekt der Katholischen Frauen Deutschlands, gab Professor Elisabeth Schmitz einen Überblick über den Wandel weiblicher Lebensrealitäten von den 20er Jahren bis heute.

"Meine verehrten Damen...", begrüßte Lilo Musseleck als Vorsitzende der Katholischen Frauen Deutschlands (kfd), Abteilung Wittlich, ihre Gäste. Die verkürzte Anrede passte: Ausnahmslos Frauen waren zum Eröffnungsabend des Projektes "Ja - damals" ins Markushaus gekommen, das sich mit dem Wandel der Lebensbedingungen von Mädchen und Frauen seit den 20er Jahren befasst. "Wir wollen die Erinnerung festhalten", so Musseleck. 1928 war die Wittlicher Sektion der kfd gegründet worden. Ein noch zu überschauender Zeitraum, den zumindest als Kinder einige der noch lebenden aktiven Frauen selbst mitgemacht haben. "Erinnerung trägt die Zukunft", da sind sich die Projektleiterinnen einig. "Erst auf dem Hintergrund der Erinnerung sieht man wirklich, was heute ist, und bekommt vielleicht eine Ahnung von dem, was kommen wird." Im Markushaus sind bis zum 15. Oktober Gegenstände aus Großmutters Zeiten zu sehen, die viele hilfreiche Hände zusammen getragen haben: Kleider und Bettjäckchen, Hüte und Bibeln, Puppen samt deren Häuser und Wagen, Schlittschuhe, bildhübsches Tafelgeschirr und Dinge aus dem Kirchenleben, um nur einige Beispiele zu nennen. Leben kommt in diese Gegenstände, wenn der Besucher die begleitenden Texte liest, die in den der Ausstellung vorangegangenen, zahlreichen Gesprächsabenden geschrieben wurden: Eine Welt, die sich junge Frauen nur wenige Jahrzehnte später nicht mehr vorstellen können. "Meine Großmutter ist gestorben als meine Mutter, das jüngste Kind, neun Jahre alt war. Da hat meine Mutter am Totenbett ihre Schwester gebeten, den Vater zu heiraten und sich um die Kinder zu kümmern." Die Schwester hat, der Notwendigkeit gehorchend, diesem Wunsch brav Folge geleistet. Analysierend spannte Elisabeth Schmitz zur Ausstellungseröffnung einen Bogen von damals bis heute. Die Frau, die entgegen dem damaligen Trend selbstständig für ihren Lebensunterhalt gesorgt hatte, war weit davon entfernt, die "gute alte Zeit" für das weibliche Geschlecht zu verherrlichen. Sie scheute sich nicht, den Finger in die Wunde zu legen, stets auf die Subjektivität hinweisend, die ihrem Vortrag zugrunde läge.Weimarer Republik: Viele Frauen im Parlament

Trotz der starken politischen Aktivitäten von Frauen in der Weimarer Republik, als deutlich mehr Frauen im Parlament den Ton angaben als zu Beginn des dritten Jahrtausends, habe "mann" ihnen die Aufgabengebiete zugeordnet, die Frauen bis heute zugeordnet werden: Soziale und medizinische Fragen. Weniger gern wurde kämpferischen Frauen zugehört, die Gleichberechtigung forderten. Immerhin haben Deutschlands Frauen erst seit 1918 das Wahlrecht. Ihre juristische Unabhängigkeit, Voraussetzung für eine wirtschaftliche Eigenständigkeit, haben sie im Falle einer Heirat erst seit den frühen 70er Jahren. Die weibliche Realität von heute hat wenig mit der vergangener Tage zu tun: Nicht Familie oder Beruf, sondern die Vereinbarkeit von beidem stehe im Mittelpunkt des Interesses. Verhütung, eine hohe Scheidungsrate, ein höherer Bildungsstand von Frauen, Patchwork-Familien: "Früher hatten Eltern viele Kinder; heute haben Kinder viele Eltern", so Schmitz. Öffnungszeiten der Schau im Markushaus: sonntags 11.45 bis 12.30 Uhr, mittwochs 9 bis 10 Uhr, Führungen nach Absprache, Tel. 06571/ 8786. Nächster Projekttermin: Donnerstag, 23. September, 15 Uhr: Alte Handarbeitstechniken .

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