Einzelhandel: Der weite Weg zum "Wir-Gefühl"

Wittlich · Eineinhalb Stunden lang hat die Stadtverwaltung 50 Wittlicher Geschäftsleuten einen Spiegel vorgehalten. Sie präsentierte Ergebnisse einer Umfrage unter 81 Einzelhändlern. Ziel ist, die Interessen zu bündeln, um die Innenstadt zu stärken. Dazu liefert die Befragung Ideen. Um sie umzusetzen, wird auch eine Art Neustart im Stadtmarketing-Verein gefordert.

 Viele Geschäftsleute haben dem Stadtmarketing-Verein, der sich für sie einsetzen soll, den Rücken gekehrt. Das muss sich ändern, womöglich auch die Vereinsstrukturen – so ein Fazit aus Verwaltungssicht. TV-Foto: Klaus Kimmling

Viele Geschäftsleute haben dem Stadtmarketing-Verein, der sich für sie einsetzen soll, den Rücken gekehrt. Das muss sich ändern, womöglich auch die Vereinsstrukturen – so ein Fazit aus Verwaltungssicht. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Wer vertritt die Interessen der Wittlicher Innenstadt? Jeder Einzelhändler selbst für sich allein? Der relativ junge Altstadtstammtisch, der Stadtmarketing-Verein? Haben denn die Einzelhändler ein gemeinsames Interesse, außer dass ihre Kasse klingelt? Wo gibt es so etwas wie ein "Wir-Gefühl"? Das will Bürgermeister Joachim Rodenkirch wissen und sucht das Gespräch mit Wittlichs Einzelhändlern, die er zum zweiten Mal eingeladen hat, denn Verwaltung und Stadtrat wollen die Innenstadt stärken - nur wie?
50 Geschäftsleute sind gekommen. "Ein bisschen enttäuscht bin ich schon. Das lässt leicht den Schluss zu, dass wir kein Einzelhändler-Problem haben", sagt der Stadtchef zu den Versammelten, "Auch wenn Sie die falschen Adressaten sind." Der angekündigte Dialog findet erst später bei einem Glas Wein statt, denn es gibt einen über eineinhalbstündigen Vortrag. Der allerdings basiert auf tatsächlichen Gesprächen. 81 Einzelhändler hat Ulrike Kelle, neue Verwaltungsmitarbeiterin fürs Stadtmarketing, befragt und das Meinungsbild ausgewertet. Es ist noch ohne gemeinsame Linie. Ein Paradebeispiel: Die uneinheitlichen Öffnungszeiten, aber dieses Dauerstreitthema soll nicht im Vordergrund stehen. Eher die Frage: Wie lässt sich etwas verbessern? Ein zentraler Punkt dabei: Der Stadtmarketing-Verein soll auf neue und viele Füße gestellt werden. Deutlich fordert Bürgermeister Joachim Rodenkirch auf: "Es ist zu billig zu sagen: Die machen nichts. Dann muss man auch bereit sein, übers Stöckchen zu springen und zu sagen: Okay, da mache ich mit." So könne man den Verein "von innen heraus neu entwickeln". Das sei wichtig, denn die Stadt, die dazu 50 000 Euro im Jahr gebe, brauche einen Ansprechpartner wie die Geschäftsleute eine Interessenvertretung. "Nur als Mitglied eines Vereins kann man ihn ändern", so Leo Kappes, Stadtverwaltung. "Stimmt. Da muss ich mich selber an der Nase packen", sagte nach dem Treffen ein Wittlicher.
Die Umfrage belegt das derzeitige Desinteresse: 63 Prozent der Befragten sind kein Mitglied im Verein. "Zu teuer, kein Nutzen, kein Nachteil bei Nichtmitgliedschaft" sind die Argumente. Doch wie packt man dann die Ideen an: Wie Straßenfeste, schönere Markt- und Schlossplatzgestaltung, Modenschauen, Weihnachtsmarkt-Neukonzeption, bessere Begrünung, ein mobiler Weinstand und so weiter?
Ergebnisse im Internet


Ein konkretes Mithilfeangebot hat immerhin die Verwaltung: Sie verteilt einen Stadtplan, auf dem die Geschäftsleute Wunschstandorte für Bänke oder Kinderspielgeräte in der Innenstadt eintragen können.
Die Umfrageergebnisse will die Stadt auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Angedacht ist eine Kundenbefragung, ein Thema der drei einzigen Wortmeldungen der Eingeladenen. Es soll ein drittes Treffen geben, bei dem in kleinen Gruppen diskutiert werden kann. Auch damit sich das ändert, was ein Zitat der Umfrage belegt: "Die Wittlicher selbst sind es, die ihre Stadt schlecht machen."Meinung

Aller guten Dinge sind drei
Unbedingt sollte der Bürgermeister ein drittes Treffen anbieten und dann die Konsequenzen ziehen: Ist Interesse da, gibt es weitere Unterstützung. Kommen noch weniger Einzelhändler, kann man nicht erwarten, dass ihnen erneut die Hand gereicht wird. Klar gibt es berechtigte Existenzängste, Tatsachen wie Konkurrenz auf der grünen Wiese, im Internet, in anderen attraktiven Einkaufsstädten - wie auch anderswo. Langjähriger Frust ist zudem schwer zu vertreiben. Doch wer nicht kämpft, der hat schon verloren. Deshalb gilt es, das Angebot von Verwaltung und Verein zu nutzen, Tacheles zu reden, was man will und was nicht, um besser handeln zu können und zwar möglichst geschlossen. Das ist ein Muss, wenn Wittlich eine attraktive Einkaufsstadt bleiben will. Ein Umfragezitat war: "Wittlicher sind Eigenbrötler." Das sollte auf kundenorientierte Geschäftsleute nicht zutreffen. s.suennen@volksfreund.de

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