Eltern lernen in der Schule ihrer Kinder

Bernkastel-Kues · Deutsch mit Praxisbezug: In der Grundschule Bernkastel-Kues erhalten die Eltern der Kinder mit Migrationshintergrund kostenlosen Deutschunterricht. Auch für Kinderbetreuung ist gesorgt.

 Reinhild Berktold, Aleza Butrus, Fatma Emhmed und Kadrije Pushkolli (von links) überlegen, wie das Obst auf der Tischkarte heißt. TV-Foto: Anita Lozina

Reinhild Berktold, Aleza Butrus, Fatma Emhmed und Kadrije Pushkolli (von links) überlegen, wie das Obst auf der Tischkarte heißt. TV-Foto: Anita Lozina

Bernkastel-Kues. Es ist ruhig an diesem Morgen in der Grundschule Bernkastel-Kues. Die Kinder sind in den Klassenräumen, lernen Mathematik, Deutsch und Kunst. In einem Raum nimmt die Lehrerin Reinhild Berktold ein Stück Kreide in die Hand und schreibt den Halbsatz an die Tafel: "Im Supermarkt kaufe ich …" Sie dreht sich zu ihren Schülern, blickt in die Runde. "Und was kaufen Sie?"
Sie duzt ihre Schülerinnen nicht, denn vor ihr sitzen erwachsene Frauen. Sie gehen einmal die Woche in die Schule ihrer Kinder, um selbst etwas Elementares zu lernen: die deutsche Sprache. Falls sie kleinere Kinder haben, können sie diese während des Unterrichts im Nebenraum betreuen lassen.
Seit Mai gibt es diesen - durch ehrenamtliche Helfer kostenlosen - Unterricht mit Kinderbetreuung der Grundschule Bernkastel-Kues und des Bündnisses für Menschlichkeit und Zivilcourage (BFMUZ) Bernkastel-Wittlich. "Kinder mit Migrationshintergrund haben oft Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache", sagt Schulsozialarbeiterin Anne Konrad. "Die Eltern können aber oft nicht helfen, da sie dieselben Probleme haben. Das möchten wir ändern." Es ist das erste derartige Projekt im Kreis und laut BFMUZ-Vorsitzenden Yaghoub Khoschlessan ist es auch "einzigartig in Deutschland."
Die Frage der Lehrerin steht noch im Raum, die Frauen sehen sich betreten an. Schließlich meldet sich Aleza Butrus: "Ein Kilogramm Käse." Berktold lacht. "Oh, das ist aber eine ganze Menge. Könnten Sie das an die Tafel schreiben?" Butrus möchte eigentlich nicht, geht dann aber doch nach vorne und schreibt ihren Einkauf korrekt an die Tafel. "Super, genau richtig", lobt Berktold die Irakerin. Die Eltern lernen Deutsch für den Alltag. Es geht darum, alltägliche Situationen zu meistern - wie eben den Einkauf im Supermarkt.
Phung thi Dinh kommt ursprünglich aus Vietnam. Der jungen Frau fällt die deutsche Aussprache schwer, was sich vor allem am Telefon bemerkbar macht. Mit der lateinischen Schrift hat sie dagegen weniger Probleme. "Mir gefällt der Unterricht, und er hilft mir auch", sagt sie. Genau umgekehrt ist es bei Kadrije Pushkolli, die ursprünglich aus dem Kosovo kommt: Mit dem gesprochenen Wort hat sie weniger Probleme als mit dem geschriebenen: "Der Unterricht hilft mir, besser zu schreiben."
Es ist nicht das einzige Deutschprojekt des BFMUZ. Der Verein unterrichtet auch etwa 50 Ausländer zu Hause. Dabei besuchen 16 ehrenamtliche Helfer die betroffenen Familien kreisweit, unter anderem in Osann-Monzel, Wittlich-Bombogen oder Traben-Trarbach. Sie unterhalten sich mit den Familienmitgliedern auf Deutsch, damit diese ganz natürlich die Sprache lernen. Sie helfen aber auch bei Behördengängen, bei der Arbeit und bei Arztbesuchen. "Dabei entstehen auch Freundschaften", sagt Khoschlessan. "Und die ausländischen Mitbürger haben das Gefühl, dass sie bei uns mit offenen Armen empfangen werden."
Das BFMUZ sucht ehrenamtliche und mobile Deutschlehrer aus dem Kreis und vor allem aus Traben-Trarbach. Pädagogische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Infos bei Wolfgang Tilsner, Telefon: 06531/9725916, E-Mail: wtilsner@t-online.de, Internet: www.bfmuz.org
Das Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage Bernkastel-Wittlich möchte die Einwohner im Kreis für die Themen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Extremismus sensibilisieren. Gleichzeitig will es einen Beitrag zur besseren Völkerverständigung leisten. Unter anderem veranstaltet das Bündnis Feste und Vorträge zu Kulturen, Riten, Musik und Geschichte anderer Länder. alo

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