Empörung und Widersprüche

WITTLICH. Unisonso hatten die Kreistagsmitglieder das Verhalten von "Pro Seniore" als menschenverachtend kritisiert. Was die "Pro Seniore"-Vertreter dagegen zu halten hatten, war widersprüchlich oder sorgte für Empörung.

"Das zieht dem König die Krone über die Ohren!" Aufgebracht verlässt Eberhard Scheinert den Sitzungssaal des Kreistags. Der emotionale Ausbruch des Geschäftsbereichsleiters Soziales ist der erste in der Kreistagssitzung zum Altenheim-Skandal, er bleibt nicht der letzte. Das Haus ist voll bei diesem Thema, das unter die Haut geht. Es müssen sogar Stühle für die etwa 25 Zuhörer herbeigeschafft werden. Auch die Besucher wollen offensichtlich wissen, was der Altenheimträger "Pro Seniore" zur Beförderung einer pflegebedürftigen Frau von Düsseldorf nach Wittlich sagt, die er aufgrund eines Kostenstreits mit der Kreisverwaltung veranlasst hatte. Das Fernsehen ist ebenfalls gekommen. Doch muss die SWR-Kamera während der Sitzung draußen bleiben - so hat es das Plenum beschlossen. Anlass für Scheinerts Verhalten war die Aussage des jungen Pro-Seniore-Sprechers Thomas Knop: "Es war nicht vorgesehen, die Frau in Wittlich zu lassen." Später erklärt Scheinert: "Zu der oberflächlichen juristischen Beantwortung der Fragen kommt hinzu, dass Sie die Tatsachen verdrehen." Scheinert will dem Pressesprecher nicht glauben. Viel glaubhafter erscheint ihm der Jurist, der die Seniorin an jenem Gründonnerstag begleitet hatte und in Wittlich gesagt haben soll: "Ich transportiere Frau P. nicht weiter." Dem vorausgegangen war ein Fax von "Pro Seniore", in dem das Unternehmen ankündigt hatte, es werde die Seniorin "in die Obdachlosigkeit entlassen", wenn die Verwaltung nicht für sie zahle.Politiker löchern drei Stunden lang die Sprecher

Zwei Pressesprecher und die Pflegedienstleiterin hat "Pro Seniore" in die Wittlicher Sitzung geschickt, die auf Antrag der SPD kurzfristig einberufen wurde. Drei Stunden lang löchern die Kreistagsmitglieder, allen voran Günter Rösch (SPD), die "Pro Seniore"-Vertreter. In einem sind sich alle einig: Die Beförderung der pflegebedürftigen Seniorin quer durch die Republik war menschenverachtend. Was die Politiker zu hören bekommen, ist widersprüchlich. Zwar sagt "Pro Seniore"-Sprecher Peter Müller: "Wir bedauern unser Vorgehen und es gibt keine Gründe, die es rechtfertigen." Andererseits schiebt Knop ein Stück der Schuld der Verwaltung in die Schuhe. "Hätte die Kreisverwaltung die Kosten übernommen, hätte der Transport verhindert werden können." Die Verwaltung hatte jedoch erklärt, die Kosten nicht übernehmen zu dürfen, weil kein Anspruch bestand. Klar wird da nur eins: Es herrscht immer noch Uneinigkeit in der Frage, wer die 12 000 Euro für den Heimaufenthalt der Seniorin bezahlen muss. Doch obwohl "Pro Seniore" die Zahlungspflicht weiterhin beim Sozialamt sieht, will das Unternehmen nicht juristisch gegen die Verwaltung vorgehen, sondern sich nun an den Sohn der Frau wenden. Für Empörung sorgt Knops Eingeständnis, man habe der Frau vor der Fahrt nach Wittlich keine Nahrung per Sonde gegeben, um Komplikationen zu vermeiden. Unverständnis erntet die Antwort auf die Frage: "Was tun Sie, damit solch ein Vorgehen nicht mehr vorkommt?" Die juristische Abteilung müsse nun alle Maßnahmen mit der Heimleitung absprechen, sagt Müller. Angesichts dessen fordern einige Politiker eine Bestrafung der Verantwortlichen.

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