Enkel statt Landtag

BERNKASTEL-KUES. Offiziell ist das Landesparlament bis Mitte Mai im Amt. Doch wenn nichts Dramatisches passiert, werden die Abgeordneten, die nicht mehr kandidierten, das Plenum nicht mehr offiziell betreten. Günter Rösch (SPD) gehört dazu. Der TV begleitete ihn während seinen letzten Stunden als Abgeordneter.

Günter Rösch hat klare Vorstellungen von dem, was er als Ex-Parlamentarier machen will: lesen, malen, mit seiner Ehefrau wandern, öfter mal wieder Skat spielen, sich um den Garten und um das Haus kümmern. Vielleicht sollte er sich auch noch als Wahrsager versuchen. Schon bevor die erste Prognosen und Hochrechnungen über die Sender gehen, tippt er am Wahlabend ein Ergebnis, das sich dann auch nahezu bewahrheitet. Das desaströse Ergebnis der CDU hat aber auch er nicht auf der Rechnung. Einige Minuten später setzt sich das Wahrsager-Talent fort. "Ich glaube, dass Christoph Böhr Charakter zeigt und zurücktritt", sagt er kurz bevor der CDU-Spitzenkandidat und Landevorsitzende diesen Schritt via Bildschirm auch verkündet. Mehrfach klingelt am Nachmittag und am frühen Abend das Telefon. Parteifreunde berichten von der Wahlbeteiligung vor Ort. Am meisten freut sich Rösch natürlich über den Anruf von Bettina Brück, die in Zukunft die Region in Mainz vertreten wird. "Ich freue mich so für dich", sagt er, als Brück um 18.23 Uhr anruft. Im Grunde genommen läuft der Wahlsonntag im Hause Rösch aber so ab wie ein normaler Sonntag. Zuerst gehen Günter und Hannelore Rösch spazieren, dann fahren sie in Röschs Heimatort Rivenich, wo sie seine Mutter besuchen. "Das ist ein festes Ritual", sagt der 62-Jährige. Seine beiden Schwestern vervollständigen das Familientreffen.Familien-Idylle am Kaffeetisch

Am Wahlsonntag geht es ein bisschen früher zurück nach Bernkastel-Kues, weil der TV-Redakteur wartet, und auch der Urnengang noch bevorsteht. Tochter Katja, Schwiegersohn Andreas und Enkel Lukas stoßen dazu. Der Kaffeetisch wird gedeckt, der Käsekuchen geschnitten. Der sieben Monate alte Lukas freut sich, als er seinen Opa sieht. Er wird ihn in Zukunft öfter für sich haben. "Ich werde diese Zeit genießen", schaut Günter Rösch nach vorne. Dass er nach 19 Jahren im Lichte der Öffentlichkeit in ein Loch fallen könnte, glaubt er nicht. Schließlich bleibe er weiter Fraktionsvorsitzender im Kreistag. Er glaubt zudem, dass weitere Ehrenämter an ihn herangetragen werden, denen er sich nicht verschließen kann. Den Parteivorsitz im Kreis Bernkastel-Wittlich will er allerdings im Sommer in jüngere Hände legen. Nicht immer sind Ehefrauen froh, wenn der Mann plötzlich mehr zu Hause ist. "Ich freue mich aber auf diese Zeit", sagt Hannelore Rösch. Auch Tochter Katja, Lehrerin an der Grundschule in Bernkastel-Kues, schaut fröhlich drein. "Die Nähe zu meinen Eltern ist für mich ein wichtiger Faktor", sagt sie. Es gibt eine politische Besonderheit im Hause Rösch. Während sich Ehefrau und Tochter ebenfalls zur SPD bekennen, sieht das bei Schwiegersohn Andreas Hackethal ganz anders aus: Dieser ist CDU-Mitglied. Doch es geht freundschaftlich zu zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn. "Wir kommen in vielen Punkten auf eine gemeinsame Schnittmenge", sagt Rechtsanwalt Hackethal in bester Große-Koalition-Manier. Wunder hat er von der CDU nicht erwartet, gleichwohl ein besseres Ergebnis erhofft. Normalerweise hätte Günter Rösch eine gute Flasche Wein auf den SPD-Triumph entkorkt. Doch in der Fastenzeit gibt es im Hause Rösch keinen Alkohol. "Und diesem Prinzip bleibe ich treu", sagt er.

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