Erforschung des Verbindenden

WITTLICH. (gkl) Altes und Neues, Nahes und Fernes gegenüberstellen und das Verbindende dazwischen suchen und erforschen, das kennzeichnete den zweiten Abend der Wittlicher Kulturtage, in der Verantwortung des Wittlicher Musikkreises. Übernommen hatten diese Aufgabe die Pianistin Akiko Okabe und der Schlagzeuger Christian Dierstein.

War beim Eröffnungskonzert der Wittlicher Kulturtage die Synagoge sehr gut besucht, sah es bei der zweiten Veranstaltung, einem Konzert des Musikkreises der Stadt Wittlich, doch um einiges anders aus. Es waren doch etliche Stühle leer geblieben, als die Pianistin Akiko Okabe und ihr Mann, der Schlagzeuger Christian Dierstein, die Bühne betraten. Die Interessenten, die den Weg in die Synagoge gefunden hatten, bekamen ein Konzert geboten, das es in sich hatte. Das "Cross-Over", dem sich die Kulturtage gewidmet haben, bezog sich dort auf die musikalische Zeitgeschichte. Okabe und Dierstein hatten ihr Konzert mit "Ferne/Nähe" überschrieben und stellten Zeitgenössisches und Altes gegenüber. Damit gelang es ihnen, eigentlich absurde Widersprüche in großer Deutlichkeit sichtbar zu machen. Die Musik von Domenico Scarlatti, einem Zeitgenossen Johann Sebastian Bachs, die uns zeitlich gesehen sehr fern ist, hat für unsere Ohren doch eine viel größere Nähe als etwa die Kompositionen eines Pierluigi Billone oder eines Steffen Schleiermacher, die sich in unseren Tagen als Tonsetzer hervor tun. Dabei gibt es, das war in der Synagoge begreif- und erhörbar, mehr Gemeinsamkeiten, als man annehmen möchte. Scarlattis Sonaten für Tasteninstrument, von denen vier auf dem Programm standen, haben allesamt auch etwas sehr Rhythmisches, etwas Prägnantes. Besonders deutlich wurde dies im Eröffnungswerk in G-Dur und in der d-Moll Sonate. Vielfache Repetitionen, Tonwiederholungen machten das Klavier fast zu einem Schlaginstrument. Zweifelsfrei vom Komponisten auch so gewollt, wie die Satzbezeichnung Toccata (vom italienischen "toccare" = schlagen) belegt. Okabes Interpretation war sauber und gefühlvoll, hatte Charme und nicht zuletzt auch Energie. Für viele sicherlich gewöhnungsbedürftig, obwohl in diesem Jahrhundert erst entstanden, waren Werke wie "mani de leonardis" für vier Stahlfedern und Gläser von Billone oder auch "Gnadenlos" von Schleiermacher für Klavier und Schlagzeug. Dierstein, ein großer Verfechter zeitgenössischer Musik, machte es den Zuhörern, die bereit waren, diese neuen Klänge an sich herankommen zu lassen, leicht, die gemeinsamen Schnittstellen, die Überlappungen zwischen Altem und Neuem zu entdecken. Virtuose Akteure

Wer bereit war, sich diesem akustischen Erleben zu öffnen, konnte die Virtuosität des Akteurs beim Spiel auf den Stahlfedern, auf dem extra großen Marimba oder an der großen Pauke genießen. Auch Okabe steuerte mit der vierten Klaviersonate von Salvatore Sciarrino ein modernes Werk bei, das von ihr körperlich wie musikalisch extremen Einsatz forderte. Für jemanden, der sich der neuen Musik verschloss, eine Herausforderung mit all den Clustern, dem Gewüte auf den Tasten. Wer bereit war, hinzuhören, dem konnte sich eine neue Welt erschließen, bei dem konnte vielleicht sogar der Wunsch aufkeimen, sich näher mit dem zeitlich Nahen und doch so Fernen zu befassen. Mit diesem Konzert hat der Musikkreis Wittlich wieder einmal Mut bewiesen, hat sich auf ein Terrain gewagt, bei dem der Erfolg beim Publikum nicht garantiert, eher sogar unwahrscheinlich ist. Der Applaus am Ende des Abends war damit nicht nur ein verdienter Dank an die Akteure, sondern auch an den Veranstalter. Mehr zu den Wittlicher Kulturtagen lesen Sie auf SEITE 14

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