Erich Glückauf - Jude und Kommunist aus Wittlich

Wittlich · Am Abend des 10. November 1938 um 22 Uhr konnte in Nazideutschland eine Radiobotschaft des "Deutschen Freiheitssenders 29,8" empfangen werden, in der unter anderem zu hören war: "An alle Deutschen! Die Kommunistische Partei spricht zu euch, sie wendet sich an jeden anständigen Deutschen. Nieder mit den abscheulichen Judenpogromen, die Deutschland entehren! (.

..) Kein gerecht denkender Deutscher kann diese nationalsozialistischen Untaten billigen. Kein gerecht denkender Deutscher kann unsere jüdischen Mitbürger dafür verantwortlich machen, daß ein unüberlegtes sinnloses Verbrechen geschah, das nur dem Faschismus dient. Die Juden sind Menschen wie wir (…). Arbeiter! Aufrechte Deutsche! Wendet euch gegen diese schändlichen Pogrome! Helft den verfolgten und gequälten Juden (…)." Verfasser und Sprecher des Textes war der am 12. September 1903 in Wittlich geborene Erich Glückauf, der als Mitglied der internationalen kommunistischen Brigaden von Januar 1937 bis März 1939 als Redakteur des Senders der spanischen Volksfront über den Spanischen Bürgerkrieg und Vorgänge im Dritten Reich berichtete. Namhafte Exilschriftsteller wie Bertold Brecht, die Gebrüder Heinrich und Thomas Mann und auch Albert Einstein lieferten Texte für den "Deutschen Freiheitssender 29,8", der nachweisbar insbesondere in der deutschen Arbeiterschaft einen relativ großen Bekanntheitsgrad erreichen konnte. Erich Glückaufs Eltern Johanna und Julius waren 1902 aus dem thüringischen Ruhla nach Wittlich gekommen und betrieben bis März 1906 in der Trierer Straße 10 ein Textilgeschäft. In Wittlich geboren wurde auch der zweite Sohn der Familie, Paul, der 1933 in die USA emigrierte, dort in einer Metrostation als Kofferträger arbeitete und einem Herzinfarkt erlag.Nazizeit in Schweden überlebt

Nach der Geschäftsauflösung in Wittlich zog die Familie Glückauf ins Ruhrgebiet, wo noch Bruder Werner und Schwester Ilse zur Welt kamen. Werner Glückauf wurde 1942 in Auschwitz ermordet, während Ilse Glückauf in die USA emigrieren konnte. Erich Glückauf schlug sich als Bergarbeiter durch und trat 1922 der KPD bei; von 1927 bis 1932 war er Sekretär der KPD-Reichstagsfraktion in Berlin. Mit Beginn der Nazidiktatur ging Glückauf in den Untergrund. Die Eltern waren nach Amsterdam emigriert, wo der Vater 1939 starb. Die Mutter wurde vermutlich Ende 1942 von Gestapoleuten in ihrer Wohnung erhängt. Erich Glückauf selbst überlebte die Nazizeit in Schweden. Seine Erinnerungen mit dem Titel "Begegnungen und Signale. Erinnerungen eines Revolutionärs" wurden kurz nach Erscheinen 1976 in der DDR eingestampft. Glückauf hatte 1925 in erster Ehe die aus einer orthodoxen jüdischen Familie stammende Gertrud Meier geheiratet. Er selbst war - so eine Erklärung von 1972 - schon Anfang 1919 aus der jüdischen Religionsgemeinschaft ausgetreten. Erich Glückauf starb am 23. April 1977 und wurde in Berlin-Friedrichsfelde auf dem Zentralfriedhof bestattet - nicht weit entfernt vom Ehrenhain der deutschen Kommunisten um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.Franz-Josef Schmit, Wittlich volksfreund.de/pogromnacht

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