Erstaunte Händler und ein paar neue Mitglieder

Wittlich · Michael Groth, seit Juli Vorsitzender des Vereins Stadtmarketing, zeigt Flagge. Er und seine Kollegen sind viel in Wittlich unterwegs. Der Kontakt zu den Kaufleuten ist dem Vorstand ganz wichtig.

Wittlich. Wer Michael Groth gegenübertritt, sieht einen zuvorkommenden Menschen. Doch der 51-Jährige kann auch anders, zumindest verbal. "Ich bin neutral. Ich habe keine Seilschaften oder Verpflichtungen innerhalb der Stadt und muss somit auf niemanden Rücksicht nehmen. Es gibt ja verschiedene Ausdrücke dafür, wenn sich Leute auf Kosten anderer Vorteile verschaffen. Ich bezeichne sie noch dezent als Trittbrettfahrer." Wer so etwas sagt, macht sich nicht nur Freunde, er setzt sich auch selbst unter Druck. Groth hat das am 10. Juli, schon vor der Wahl des Vorstands des Vereins Stadtmarketing Wittlich, in die Runde geworfen - und hat dennoch ein klares Votum bekommen.
Gut 100 Tage ist Groth nun im Amt. Zeit für eine erste Bilanz. Seine wichtigste Feststellung: Die Einzelhändler sind der wichtigste Baustein einer intakten Innenstadt. Mehr als 90 von ihnen haben dort ihre Betriebe. Nur 28 waren zum Zeitpunkt von Groths Wahl Stadtmarketing-Mitglied. Als der Verein im Jahr 2002 gegründet wurde, waren es noch 65. "Jeder, dem irgendwann einmal etwas abgelehnt wurde, tritt aus", hatte Groth in seiner Wahlrede moniert. "Doch sie profitieren von Aktionen, ohne zu zahlen". Folgerichtig hatte der in Mayen arbeitende Augenoptiker angekündigt, den Schwerpunkt seiner Arbeit anfangs auf die Kommunikation mit den Einzelhändlern zu legen. Bei der ersten Zusammenkunft habe er sie aufgefordert zu sagen, was sie für das Stadtmarketing tun könnten. "Da haben sie erst einmal erstaunt geschaut", gibt er die Reaktion wider. Bis dahin sei es eher um die Frage gegangen, was der Verein für die Einzelhändler tun kann.
Buchhändlerin Claudia Jacoby bestätigt das. Und sie sagt noch etwas:. "Groth hat nicht gefragt, ob wir irgendwelche Aktionen machen könnten, er hat gleich gefragt, was wir machen." Hauptthema ist natürlich der Leerstand in der Innenstadt. Von den 184 Läden sind etwa 20 verwaist. Groth: "Das ist nicht in kurzer Zeit passiert. Das war ein Prozess. Und genauso wird es ein Prozess sein, ihn wieder zu beseitigen." Sehr oft werde er nach den Immobilien gefragt. Gerade da seien dem Verein aber die Hände gebunden. Er sei in seinen Handlungen davon abhängig, wie Hausbesitzer und Makler entscheiden. Die Problematik habe sich nicht geändert. Manche Hausbesitzer weigerten sich, weniger Miete zu verlangen, da sie einen Wertverlust ihrer Immobilie befürchten. Bei anderen sei das Problem, dass der Ladeneingang auch gleichzeitig der einzige Zugang zu den oberen Stockwerken sei.
Trotzdem habe sich etwas getan. Sechs Geschäfte sind neu eröffnet beziehungsweise nach einer Umgestaltung wieder in Betrieb. Stadtmarketing-Vorstandsmitglieder waren bei jeder Feier vor Ort. Die Folge: Zumindest drei Geschäftsinhaber wurden zu Mitgliedern. Vor allem die Burgstraße hat profitiert. "Hier herrscht wieder Aufbruchstimmung", sagt Claudia Jacoby. Es sei gut, dass ein Einzelhändler den Verein führe. Der habe nun auch wieder ein Gesicht. Vom vorherigen Vorstand habe sich nie jemand in den Läden blicken lassen.
Er wolle lästig sein, hat Groth am 10. Juli gesagt. Wie definiert er das? "Kontakt halten", antwortet er. "Das ist das A und O."Extra

 100 Tage im Amt: Michael Groth. TV-Foto: C. Beckmann

100 Tage im Amt: Michael Groth. TV-Foto: C. Beckmann

Der Verein Stadtmarketing (etwa 140 Mitglieder) entstand 2002 aus einem Zusammenschluss von Kaufstadt Wittlich und Wittlich Marketing. Ziele sind, die Stadt als Handels-, Handwerks-, Dienstleistungs- und Wirtschaftszentrum attraktiver zu machen sowie gemeinsame Werbemaßnahmen und Aktionen. Michael Groth wünscht sich alle 90 Einzelhändler als Vereinsmitglieder. Mittelfristig könnte er aber auch mit einer Zahl von 50 bis 60 leben. Um das zu schaffen, seien gestaffelte Mitgliedsbeiträge denkbar. Bisher zahlen Gewerbetreibende einheitlich 180 Euro pro Jahr. Durch Umlagen für Aktionen kommen noch maximal 220 Euro hinzu. Groth schwebt vor, je nach Größe des Betriebs, vier Stufen einzurichten. Noch im Oktober wird es ein Gespräch mit Bürgermeister Joachim Rodenkirch geben. Schließlich gibt die Stadt einen Zuschuss von 50 000 Euro pro Jahr. Auch bei den Stadtratsfraktionen wird der Verein vorstellig. Gespräche mit der SPD und der FWG gab es schon, mit der CDU ist ein Termin vereinbart. "Die Grünen haben sich nicht gemeldet, die FDP will erst einmal abwarten", sagt Groth. cb

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort