"Es war wie eine Sucht"

Wittlich · Ein 27-Jähriger muss sich wegen Betrugs über das Auktionsportal Ebay vor dem Amtsgericht in Wittlich verantworten. Der Angeklagte zeigt sichtlich Reue. Zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung hat das Gericht ihn wegen der Vielzahl der Taten allerdings verurteilt.

Wittlich. Sein Gesicht wird während der Verhandlung immer blasser, der 27-jährige Angeklagte muss mehrfach schlucken, in der Pause schickt sein Rechtsanwalt ihn an den Kaffeeautomaten: "Nicht, dass er uns hier noch eine Rolle rückwärts macht." Angesichts der vielen Akten, die Richter Stefan Ehses zu Beginn auf einem Rollwagen in den Gerichtssaal des Amtsgerichts Wittlich geschoben hat, ist das kein Wunder. Wegen mehr als 50 Fällen des Internetbetrugs muss sich der 27-Jährige verantworten. Von Oktober 2013 bis März 2014 soll er so rund 10 000 Euro zusammenbekommen haben.
2013 sei ein schlechtes Jahr gewesen, erklärt Rechtsanwalt Pierre Wolff für seinen Klienten, der während des Prozesses kaum ein Wort herausbekommt. Damals habe der Angeklagte einen 450-Euro-Job gehabt, seine Frau sei im Mutterschutz, zwei kleine Kinder zu versorgen und eine Wohnung zu bezahlen gewesen.
"Das Geld floss also komplett in die Familie und nicht in die klassische ‚Zockerbude\'", verteidigt Wolff den zweifachen Familienvater. Über verschiedene Auktionsportale, wie Ebay und ähnliche, soll er Spielwaren und Elektrogeräte (iPhones, iPads) vertriebenhaben. Das Geld hat er bekommen, die Artikel aber nicht weggeschickt, er besaß sie ja auch gar nicht. Zwei weitere Straftaten kamen im Lauf dieses schlechten Jahres dazu: Um zu seinem 450 Euro-Job kommen zu können, musste der Angeklagte sein Auto reparieren lassen. Die Rechnung von rund 177 Euro konnte er nicht bezahlen. Nicht bezahlen konnte er auch seine Auto-Versicherung, trotzdem musste er mit dem Wagen zur Arbeit kommen.
Es war eine Notsituation, resümiert Wolff. Für diese Notsituation spreche auch die "dilettantische Vorgehensweise" des Angeklagten, wie sein Rechtsanwalt es nennt: Auf den Internetportalen habe er seinen richtigen Namen sowie Kontodaten und Adresse angegeben. Auf Wunsch des potenziellen Käufers habe er sogar eine Kopie seines Personalausweises mitgeschickt. Aus Angst, das dringend benötigte Geld würde nicht überwiesen. "Das musste ja auffliegen", stellt Wolff fest.
Im Januar stand dann die Polizei vor seiner Tür, ermahnte ihn aufzuhören, doch er konnte nicht. Der Angeklagte findet kaum Worte für sein Handeln: "Es war wie eine Sucht", erklärt er dem Oberstaatsanwalt Thomas Albrecht und wirkt selbst fassungslos. Rechtsanwalt Wolff bezeichnet seinen Klienten als "nicht depressiv, aber sehr ‚down‘". Er befinde sich nun in therapeutischer Behandlung. Er wolle endlich damit abschließen und nie wieder auf die schiefe Bahn geraten, sagt der Angeklagte kleinlaut. "Ich will alles, was in meiner Macht steht, tun, um den Schaden wiedergutzumachen."
Entschuldigungen an seine Opfer hat der Angeklagte laut seinem Anwalt schon per Mail verschickt. Mit den meisten hat er sich auf eine Ratenzahlung von zehn Euro im Monat einigen können. Die Summe will und kann er nun aufbringen, im Sommer beginnt er eine Ausbildung bei seinem jetzigen Arbeitgeber. "Ich will endlich in die Zukunft schauen können."
Zwei Jahre Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, lautet das Urteil von Richter Ehses. Ein Bewährungshelfer werde dem labil wirkenden Angeklagten zur Seite gestellt, die Therapiestunden würde er ihm als Hausaufgabe mitgeben.
Richter Ehses zieht Bilanz: "Das Beste für Sie ist jetzt draußen zu sein, zu arbeiten, sich um ihre Familie zu kümmern und den Schaden selbst wieder gutmachen."

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