Fleischbeschau: Privatisierung beschlossen

Bernkastel-Kues · Das Thema Fleischbeschau ist seit Jahren in mehreren Ausschüssen des Kreistags behandelt worden. Am Montag kam es schließlich zur Abstimmung. Gegen den Widerstand von SPD, Grünen und der Linken wurde der Beschluss zur Privatisierung mit 20 gegen 13 Stimmen gefasst.

Bernkastel-Kues. Die Lebensmittelkontrolle gilt als heikles Thema. Schon mehrfach erschütterten Fleischskandale die Republik und sorgten für Verunsicherung beim Verbraucher. Der Kreistag hat nun in seiner jüngsten Sitzung in Bernkastel-Kues die Privatisierung der Fleischbeschau am Schlachthof Simon Fleisch in Wittlich beschlossen. Dieser Schlachthof ist der größte in Rheinland-Pfalz. Dort werden 80 000 Tonnen Fleisch pro Jahr verarbeitet. 435 Mitarbeiter sind dort tätig, 20 000 Schweine werden wöchentlich zerlegt. "Es wurde immer wieder darüber diskutiert. Letzte Woche hat dann eine Personalversammlung im Hygieneamt stattgefunden, um darüber zu informieren," sagte Landrat Gregor Eibes. Er begründete den vorliegenden Beschluss: "Wir sind nicht dafür verantwortlich, zur Gewinnmaximierung eines Betriebs beizutragen. Aber wir sind verpflichtet, die Gebühren so gering wie möglich zu halten." Derzeit werde pro Schwein eine Gebühr von 1,51 Euro erhoben. Bundesweit sind die Gebühren in manchen Kreisen bis zu 50 Cent niedriger. 40 Fleischbeschauer sind derzeit tätig mit einem Stundensatz von bis zu 20 Euro.Zwei Jahre Probephase

Während einer zweijährigen Probephase soll eine Ausschreibung erfolgen, um eine entsprechende Firma zu finden. Eibes versicherte, dass es nicht um die Gefährdung von Arbeitsplätzen gehe, und sicherte den derzeit beschäftigten Fleischbeschauern die uneingeschränkte Besitzstandswahrung zu. Der Beschluss sieht allerdings auch vor, dass Neueinstellungen außerhalb des Tarifes möglich sind. Eibes betont, dass der Verbraucherschutz gewahrt bleibe.Der Beschluss wurde im Kreistag lebhaft diskutiert. Bettina Brück von der SPD-Fraktion: "Wir werden diesem Beschlussvorschlag nicht zustimmen. Wir haben große Bauchschmerzen, was den Verbraucherschutz anbelangt." Das sei der Einstieg in den Ausstieg, die Privatisierung. Die Tarifverträge sollten wegen der Qualität gehalten werden. Dirk Richter (FDP) erinnerte daran, dass der Kreis sich von Aufgaben trennen muss, die er selbst nicht mehr managen kann. Der Landkreis sei an die Grenzen seiner Ordnungskraft gestoßen. Die Linke wiederum kritisierte den Beschluss und erinnerte daran, dass Verbraucher- und Tierschutz die hoheitliche Aufgabe des Kreises sind. Der Beschluss sieht indes nach wie vor eine Kontrolle der Fleischbeschau durch den Kreis vor. 20 Mitglieder stimmten schließlich für den Beschluss, 13 dagegen.Waltraud Fesser von der Verbraucherzentrale in Mainz erklärt auf TV-Nachfrage, dass diese Regelung mit der Kontrolle in der Öko-Landwirtschaft vergleichbar sei. Auch dort gebe es akkreditierte Drittfirmen, die Kontrollen übernehmen. Auch gebe es vergleichbare Modelle im süddeutschen Raum. Schließlich bleibe die Aufgabe der Fachaufsicht bei der Kreisverwaltung. Fesser: "Es muss eine sachgerechte Fleischkontrolle gewährleistet sein. Das ist nach diesem Verfahren möglich."Meinung

Chancen und RisikenDas gerade beschlossene Modell birgt Chancen und auch Risiken. Der Druck im europäischen Fleischmarkt ist natürlich gegeben, so dass es nachvollziehbar ist, wenn die Verwaltung sich bemüht, die Gebühren für regionale Betriebe möglichst niedrig zu halten. Dazu kommt auch die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Qualitätskontrolle über Lebensmittel ist aber aus gutem Grund eine hoheitliche Aufgabe. Nur eine neutrale Instanz kann garantieren, dass die Qualität gewahrt bleibt. Beim neuen Modell verbleibt die Fachaufsicht beim Kreis. Das bedeutet, dass die Kontrolleure vor Ort letztlich wiederum vom Kreis kontrolliert werden müssen. Was ist, wenn am Ende der Rechnung mehr Personal - und damit auch Kosten - des Kreises nötig sind, um die Fleischbeschauer zu kontrollieren? Dann könnte der Schuss nach hinten losgehen - und die Kosten müsste am Ende der Steuerzahler tragen. hp.linz@volksfreund.de

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