Friedensangebote tragen meistens Früchte

Bernkastel-Wittlich · Wenn die ungeschnittene Hecke oder der voll behangene Apfelbaum im Garten des Nachbarn zum Ärgernis werden, schreiten sie ein: Schiedspersonen. Mit 56 Streitfällen haben sie sich 2011 im Kreis in formeller Form befasst. In Wirklichkeit ist die Zahl der Fälle aber weitaus höher, weil oft schon ein einfaches Gespräch im Vorfeld hilft.

Bernkastel-Wittlich. Einst waren sie beste Freunde. Dann kam es zum Streit im Fußballverein, und ein Wort ergab das andere, bis der Vorwurf fiel: "Du bist doch ein Frauenschläger!" Dass lässt der beleidigte Streithahn nicht auf sich sitzen und verlangt den Widerruf dieser Behauptung. Doch bevor er eine Klage vor Gericht einreichen kann, muss er zunächst einen Schiedsmann aufsuchen. Das schreibt für solche Fälle das Landesschlichtungsgesetz vor, erklärt Ingrid Luther, Leiterin des Amtsgerichts Wittlich.
Streitigkeiten mit den Nachbarn, Beleidigungen, Beschimpfungen: Damit hat sich Franz-Josef Klein aus Wittlich 15 Jahre lang befasst. Doch im Oktober gibt der 76-Jährige das Ehrenamt wegen seines Alters auf. Bis dahin steht er noch für die 19 000 Bürger der Stadt und der Stadtteile als Schiedsmann mit Rat und Tat zur Seite.
2011 hat er sich mit elf Fällen befasst, bei denen er die Kontrahenten an einen Tisch brachte. Jeden zweiten Streit konnte er schlichten. Die Gebühren betragen je nach Zeitaufwand zwischen 40 und 60 Euro und werden meist vom Antragsgegner übernommen. Manchmal teilen sich die Parteien auch die Kosten.
Weitere 15 Male ist Klein zu den Streithähnen gefahren, um sich die Situation an Ort und Stelle anzuschauen, anstatt sie gleich formell einzuladen. Meist handelte es sich um Nachbarschaftsstreitigkeiten wie nicht geschnittene Hecken. "Dann rede ich direkt mit beiden Parteien und versuche, eine Einigung herbeizuführen." In diesen Fällen ist er besonders erfolgreich: 90 Prozent aller Vorkommnisse ließen sich so unkompliziert regeln.
Im Bereich des Amtsgerichts Bernkastel-Kues gibt es sechs Schiedspersonen, die im vorigen Jahr 25 Fälle bearbeitet haben, bei denen die Beteiligten formell eingeladen wurden. Das sind rund vier Fälle pro Schiedsperson, teilt Geschäftsleiter Roland Klingel auf TV-Anfrage mit. Höher sei die Zahl der Einigungen, die dank einfacher, informeller Gespräche herbeigeführt worden sei. "Die Schiedspersonen tragen damit zum Rechtsfrieden bei", sagt Klingel.
Die Schiedspersonen im Bereich Wittlich haben im vorigen Jahr elf strafrechtliche Schlichtungsverfahren und 20 zivilrechtliche Streitigkeiten bearbeitet. Zu Letzteren zählen zehn Fälle, bei denen jemand seine persönliche Ehre verletzt sah. Zehnmal ging es um Streitigkeiten zwischen Nachbarn.
In solchen Fällen muss ein Schlichtungsversuch erfolgen, erklärt Luther. "Sonst wird die Klage abgewiesen." Die Richterin wünscht sich, dass sich mehr Menschen an Schiedspersonen wenden. Zum einen sei dies günstiger als ein gerichtliches Verfahren. Zum anderen sei eine Einigung vor allem dann wichtig, wenn das Streitthema im Gesetz nicht geregelt ist.
Wahid Samimy, Sprecher des Justizministeriums, berichtet, dass die Nachfrage an Schiedspersonen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist.Extra

In Rheinland-Pfalz gibt es 319Schiedspersonen. Im Bezirk des Amtsgerichtes Bernkastel-Kues gibt es sechs, im Bereich des Amtsgerichtes Wittlich sieben Schiedspersonen, die jeweils einen Bezirk bearbeiten. Bürger aus Wittlich und den Verbandsgemeinden Wittlich-Land, Manderscheid und Kröv-Bausendorf können sich beim Amtsgericht Wittlich nach der zuständigen Schiedsperson erkundigen. Für Bürger aus den VG Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach sowie der Einheitsgemeinde Morbach ist das Amtsgericht Bernkastel-Kues, für Bürger aus der VG Thalfang ist das Amtsgericht Hermeskeil zuständig. Es ist immer die Schiedsperson zuständig, in deren Bezirk der Antragsgegner wohnt. uq

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort