Friedenspfeife mit dem Unterbewussten

BERNKASTEL-WITTLICH. Gesundheitsschädlich, teuer, in der Öffentlichkeit ungeliebt: Viele vernünftige Gründe sprechen gegen das Rauchen. Doch Ex-Raucher zu werden, ist schwer. Schön für den, der es allein durch einen Silvesterwunsch schafft. Ansonsten gibt es Hilfen, zum Beispiel die Hypnose. Der TV sprach darüber mit der Psychologin Margit Schneider-Quast.

Gibt es einen typischen Raucher-Spruch, den Sie immer wieder zu hören bekommen?Margit Schneider-Quast: "Ich hatte mir fest vorgenommen, jetzt rauchst du nicht mehr! Aber nach einer Stunde waren doch wieder drei Kippen im Aschenbecher drin!" Das zeigt, dass es die Ebene des bewussten Vorsatzes gibt - aber auch jene unbewusste Ebene, von der aus der Griff zur Zigarette letztlich gesteuert wird. Die Gehirnforschung weist nach, dass wir nur 20 Prozent unseres Handelns bewusst steuern. Der Rest läuft unbewusst ab. Hier setzt die Hypnose an. Gibt es auch einen "Werden-Sie-ein-Ex-Raucher-Spruch"? Schneider-Quast: Rauchen Sie eine Friedenspfeife mit Ihrem Unbewussten! Nikotinpflaster, Akupunktur, Selbsthilfeliteratur, der Silvesterwunsch. Sie setzen auf Hypnose: Was ist der Vorteil?Schneider-Quast: Hypnose eröffnet den Zugang ins Unterbewusstsein mit seinen erstaunlichen Möglichkeiten. Medizinische und psychotherapeutische Hypnose hat mit Vorurteilen, die etwa aus der Show-Hypnose resultieren, rein gar nichts zu tun. Nichts geschieht ohne den Willen der Patienten, alles bleibt unter ihrer Kontrolle. Trance ist ein uns allen bekanntes Phänomen. Es ist ein veränderter Bewusstseinszustand, in dem die Konzentration der Aufmerksamkeit von der Außenwelt auf inneres Erleben abgezogen wird. Man denkt mehr in Bildern. Dies lässt sich therapeutisch effektiv einsetzen. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. So kann man in Trance Zukunftsbilder entwickeln. Der Erfolg, es geschafft zu haben, (rauch-)frei zu sein, wird vorweg genommen. Dies wird gefühlsmäßig und körperlich intensiv erlebt. Im späteren Alltag ist dieser positive Zustand durch bestimmte Techniken wieder abrufbar und stärkt damit das Durchhaltevermögen in kritischen Situationen. Die hypnotherapeutischen Sitzungen sowie die erlernte Selbsthypnose zu Hause bereiten auf den Tag X vor, an dem die Zigarette dann endgültig verabschiedet wird. Unbewusste Hintergründe des Rauchens: Könnten Sie die mal "bewusst" machen? Schneider-Quast: Neben Gewohnheits- und Suchtaspekten kann Rauchen eine Ersatzbefriedigung sein. Bei der Raucherentwöhnung ist es also wichtig, mögliche unbewusste Gründe genau anzusehen, die fürs Rauchen sprechen. Häufig sind Raucher über ihre unbewussten Motive überrascht. Zur Befriedigung dieser Bedürfnisse entwickelt man gesündere Alternativen. Erst wenn die Befriedigung gesichert bleibt, gibt das Unterbewusstsein den Weg für die Aufgabe des Rauchens frei. Deshalb mein Rat: Rauchen Sie eine Friedenspfeife mit Ihrem Unbewussten! Nur wenn Bewusstsein und Unterbewusstsein das gleiche Ziel anstreben, werden Sie es erreichen. Hat der Patient als Steuermann nicht seine ganze Besatzung fest im Griff, kann es zu Meuterei, also zu Rückfällen kommen. Warum schmeckt einem Süchtigen überhaupt die Zigarette? Schneider-Quast: Dass Zigaretten wirklich "schmecken", ist eine Illusion. Aber der Geschmackssinn stumpft schnell ab. Da unser Unterbewusstsein von Jugend an mit Werbebotschaften bombardiert wird, die Freiheit, Abenteuer, Unabhängigkeit des Rauchers versprechen, fühlen wir uns in der Rauchergemeinde bestens aufgehoben. Später kommen Gewohnheit und Sucht dazu. Sie betonen den Einfluss der Ernährung. Nicht-Rauchen und eine Diät! Warum klappt es? Schneider-Quast: In 75 bis 80 Prozent der Fälle muss Rauchen als Sucht betrachtet werden - mit starker stofflicher Abhängigkeit. Das Nikotin hat manchmal Jahrzehnte lang auf den Stoffwechsel von Gehirn und Körper eingewirkt. Das Problem ist der instabile Blutzuckerspiegel, der dafür sorgt, dass die Raucher in die "Zuckerfalle" geraten, Heißhunger entwickeln und ein Rückfall programmiert ist. Ein Entgiftungs- und Ernährungsprogramm sorgt für die Regeneration der Nebenniere und damit für die Stabilisierung des Blutzuckerspiegels. Dann haben auch Suchtraucher kaum Entzugssymptome. Nicht nur keine Zigarette, auch keine Schokolade, keinen Kaffee: Was sagen Ihre Patienten? Schneider-Quast: Letztlich entscheidet der Patient. Aber in einer neuen Forschungsstudie der Universität Tübingen zeigte sich die hypnotherapeutische Raucherentwöhnung als erfolgreichste Methode: Bei Nachuntersuchungen ein Jahr später waren 48 Prozent weiterhin clean. Dies deckt sich mit meinen Erfahrungen. Die Vergleichsgruppe mit Nikotinpflasterbehandlung und verhaltenstherapeutischem Ansatz brachte es nur auf 22 Prozent. Bei zusätzlicher Ernährungsumstellung steigt die Erfolgsrate. Warum klappt die Geschichte mit den guten Vorsätzen zum neuen Jahr in der Regel nicht? Schneider-Quast: Das ist ein von außen gesetzter, künstlicher Termin. Für Veränderungen muss man innerlich bereit sein. Ich stimme mit Patienten den Tag X der letzten Zigarette ab. Es sollte so lange noch bewusst weitergeraucht werden, bis das Unbewusste zum Aufhören bereit ist. Für Eltern: Viele ganz junge Menschen rauchen schon. Wie könnten Eltern reagieren? Schneider-Quast: Frühzeitig! Das Durchschnittsalter bei der ersten Zigarette liegt bei 13,7 Jahren. Versorgen Sie Ihr Kind sehr früh mit Informationen. Besorgen Sie sich Aufklärungsmaterial bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln oder den Krankenkassen. Falls Ihr Kind schon raucht: Vermeiden Sie Überreaktionen, und suchen Sie das sachliche Gespräch. S Die Fragen stellte unsere Redakteurin Sonja Sünnen

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