Für wen ist Jesus gestorben?

Morgen ist Palmsonntag. Jesus zieht in Jerusalem ein.

Er ahnt, dass die Jubelrufe bald verhallen werden. Er spürt die Nähe seines Todes. Es ist ein grausames Sterben, unermesslich für uns. Ist es dennoch ein guter Tod, ein Tod, durch den andere Leben finden, Heil, wie die Kirchen lehren? Ich spüre, in diesen Wochen sperrt sich etwas in mir gegen dieses Verständnis.

Sünden, die Taten der Täter, die Schuld der Mächtigen, unbewusst, sehr oft jedoch bewusst und mit Kalkül verübt. Steht es ihnen zu, vor dem Kreuz Jesu an erster Stelle zu stehen, ihre Vergebung einzufordern, so, wie bisher immer im Leben, an erster Stelle, um das zu fordern, was gerade nötig ist? Und die Opfer, wieder an dritter, vierter, letzter Stelle? Die Opfer der japanischen Betreiberfirma, die es riskiert hat, mit der Atomtechnik schlampig umzugehen und selbst jetzt noch Zahlen manipuliert. Diese Opfer nach den Tätern? Die verstümmelten Kinder in Libyen, die, die seit Jahrzehnten Gaddafis Tyrannei mit dem Leben bezahlen. Diese Opfer nach dem/den Tätern? Wenn wir diesen brutalen Tod Jesu mit der Hoffnung auf Heil verbinden, dann kann ich in diesen Wochen nur die Opfer an erster Stelle sehen. Sie bezahlen für einen Wahn, der sich in fast jedem Land ähnlich vernichtend hätte entladen können wie jetzt in Japan. Die Botschaft vom Kreuz, das Heil, das wir Christen darin glauben, es gehört zuerst den vielen Opfern weltweit. Unser Gott am Kreuz, in Schmerz und Leid, er ist ihnen ganz nah. Und die Täter, gehen sie leer aus? Hat Jesus jemals einen Menschen, dem das, was durch ihn geschehen ist, von Herzen leidtat, mit leeren Händen weggeschickt?

Jörg-Walter Henrich, evangelischer Pfarrer, Traben-Trarbach.

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