Fundgrube einer verdrängten Kultur

WITTLICH/TRIER. Lesungen, Konzerte, Führungen, Vorträge und mehr: Das Emil-Frank-Institut ist längst fester Bestandteil der kulturellen Landschaft Wittlichs. Mit seinem Ziel, den christlich-jüdischen Dialog zu fördern und über Wesen und Geschichte des Judentums zu informieren, trifft das Institut auf ein wachsendes Interesse – und bewahrt so eine einst grausam verdrängte Kultur.

"Wenn mehr Orte sich ihrer Vergangenheit so annehmen würden, könnten wir besseren Zeiten entgegensehen. Hätten die Holocaust-Überlebenden aus Wittlich das noch erlebt - sie wären stolz auf ihre Heimatstadt gewesen." Das sagte Paul Spiegel, der im Jahr 2005 gestorbene Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei seinem Besuch im Jahr 2000 in Wittlich. Anlass war der Umzug des 1997 als Außenstelle der Universität Trier gegründeten Emil-Frank-Instituts in das ehemalige Wohnhaus von Wittlichs Altbürgermeister Matthias Josef Mehs. Dass das Institut sich ausgerechnet im Haus Mehs niedergelassen hat, ist ein besonderer Glücksfall, war Mehs doch freundschaftlich verbunden mit dem Namensgeber des Instituts: dem von den Nazis aus Wittlich vertriebenen jüdischen Textilhändler Emil Frank (1887 bis1954).Mehr als eine Spezial-Bibliothek

Das Institut nach diesem jüdischen Geschäftsmann zu benennen, verdeutlicht bereits den Willen, die Erinnerung an die einst bedeutende jüdische Gemeinde Wittlichs zu bewahren. Und nicht zuletzt hatte Emil Frank auch wegen der Hörfunkreportage (1987 "Eine Kleinstadt will sich nicht erinnern") und dem Film (1991: "Es war ein Stück seines Herzens") der Kölner Journalistin Ursula Junk eine gewisse Bekanntheit erlangt. Nachdem Junk ihr Erbstück, den einstigen Wäscheschrank von Emil Frank, der Stadt Wittlich vermacht hatte (der TV berichtete mehrfach), erstellte das Emil-Frank-Institut eine aufwändige Präsentation, die nun in der Synagoge über den Namensgeber des Instituts und jüdisches Leben in Wittlich informiert. Diese Arbeit zählt zu den Höhepunkten der Instituts-Tätigkeiten 2006, wie aus dem aktuellen Jahresbericht hervorgeht. Zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Emil-Frank-Instituts, zu der noch gesondert eingeladen wird, soll auch eine DVD fertig sein, die die Inhalte der Präsentation für jedermann zugänglich macht. Dabei geht es dem Institut nicht darum, längst Vergangenes mit erhobenem moralischen Zeigefinger zu bewahren, sondern einen Beitrag zur zukunftsgewandten Aufklärungsarbeit zu leisten. "Mit seiner beharrlichen Informationsarbeit trägt das Emil-Frank-Institut dazu bei, die Schrecken der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und die Folgen dieses Menschen verachtenden Regimes für die Juden Europas wachzuhalten und damit heutiges Bewusstsein zu schärfen", erklärt Institutsleiter Professor Reinhold Bohlen eines der wichtigsten Anliegen. Als Paul Spiegel bei seinem Besuch in Wittlich die Arbeit des rührigen Instituts lobte, zählte die Bibliothek gerade mal 4000 Medien - vor allem Bücher, aber auch DVDs, CD-ROMS und Videos. Inzwischen ist der Bestand auf knapp 10 000 Medien gestiegen. Anfang des Jahres konnte zudem eine Rarität dazu erworben werden: Die neueste Auflage der 22 Bände umfassenden "Encyclopaedia Judaica" (der TV berichtete). Doch das Institut ist mehr als eine Spezial-Bibliothek für Forschungsarbeiten. Zahlreiche Veranstaltungen bringen die jüdische Kultur näher, leisten Aufklärungsarbeit, bringen Menschen miteinander ins Gespräch und regen zum Nachdenken an (siehe Hintergrund). Eine Arbeit, die offensichtlich ankommt. Als Zentralratspräsident Spiegel im Jahr 2000 dem Förderkreis des Emil-Frank-Instituts beitrat, war er das 200. Mitglied - und bis zu seinem Tod auch Schirmherr. Inzwischen zählt der von Karl-Heinz-Musseleck geführte Förderkreis mehr als 150 Mitglieder, die die Institutsarbeit mit einem Jahresbeitrag von 12,50 Euro unterstützen.

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