"Geblieben sind Friedhöfe und Erinnerungen"

Die jüdische Geschichte stößt bei den Bürgern Traben-Trarbachs augenscheinlich nach wie vor auf besonderes Interesse: Voll besetzt war der Ausstellungsraum im Dachgeschoss des Mittelmosel-Museums, als dort die Kulturwoche 2008 mit einem Vortrag zum Thema "Juden im Landkreis Bernkastel-Wittlich" von Dr. Marianne Bühler eröffnet wurde.

Traben-Trarbach. Neben Museumsleiter Christof Krieger freute sich auch Stadtbürgermeisterin Heide Pönnighaus in ihrem Grußwort, dass die Aufarbeitung des wohl dunkelsten Kapitels in der Geschichte der Stadt und Region eine fachkundige Fortsetzung fand. Nachdem Krieger selbst bereits im März umfassenden Einblick in das Leben und Schicksal der jüdischen Bürger der Doppelstadt gegeben hatte, erweiterte die Referentin nunmehr das Blickfeld auf die umliegende Region.

"Wie auf einer Perlenschnur waren die Orte und Dörfer an der Mosel aufgereiht, in denen jüdische Gemeinden oder zumindest jüdische Einwohner zu Hause waren", so die langjährige Mitarbeiterin des Emil-Frank-Institutes in Wittlich. Aber Juden seien nicht nur im Moseltal zu Hause gewesen. Für das Jahr 1895 seien sie in über 40 Orten des Altkreises Bernkastel und Wittlich nachweisbar. Damit sei der Höhepunkt der jüdischen Ansiedlung erreicht gewesen, die bereits mehr als 500 Jahre zuvor im Mittelalter begonnen hatte. Die Abwanderung in größere Städte infolge der Industrialisierung habe schon vor der Nazizeit zu einem Rückgang der jüdischen Bevölkerung in der Region geführt.

Doch bevor Bühler auf die Schoa zu sprechen kam, gab sie einen umfassenden historischen Überblick über das Zusammenleben von Juden und Christen im Laufe der Jahrhunderte, das bis zum Einzug der französischen Revolutionstruppen allerorten anhand eigens erlassener Judenordnungen geregelt war. Ob Auflagen beim Bau von Synagogen, das Verhalten bei christlichen Feiertagen oder das Verbot jüdischer Metzger, in Konkurrenz zu christlichen Zünften zu treten - fast alle Aspekte des Alltagslebens waren dort detailliert reglementiert. Dennoch seien Konflikte mit der christlichen Gesellschaft nicht ausgeblieben.

Nebeneinander von Integration und Abgrenzung



Aber auch nach der Emanzipation, der rechtlichen Gleichstellung von Juden und Christen, in deren Zuge zumeist eine konfliktfreie Integration in die jeweiligen Bürger- und Dorfgemeinschaften gelang, blieb das Leben zumindest der jüdischen Gemeinden nicht ohne Schwierigkeiten, wobei insbesondere der Unterhalt eigener jüdischer Schulen ein dauerndes Problem darstellte. Überdies bot die unterschiedliche Lebensart und Kultur der Juden auch später noch Anlass zu Missverständnissen, gelegentlich sogar zu offenem Antisemitismus. "Fremdheit und gute Nachbarschaft, Integration und Abgrenzung: Beides konnte wohl nebeneinander existieren und je nach Bedarf aktiviert werden", so Bühler.

Wie erfolgreich nach 1933 gerade der Fremdenhass aktiviert werden konnte, erläuterte die Referentin stichpunktartig anhand einiger Beispiele aus dem Altkreis Bernkastel, wo sie anschaulich zeigte, "dass die Verfolgung der Juden nicht nur von oben erfolgte, sondern dass manche durchaus die Stimmung ausnutzten, um selbst tätig zu werden". Damit sei nicht allein eine Jahrhunderte alte Kultur systematisch vernichtet worden; schlimmer noch war das Schicksal der Menschen: Von denen, die im heutigen Kreis Bernkastel-Wittlich geboren wurden beziehungsweise dort gewohnt hätten, seien etwa 450 Personen deportiert worden. Etwa 250 davon waren 1933 noch im Kreis wohnhaft; lediglich 18 Personen hätten die Lager und Ghettos überlebt. "Geblieben sind Friedhöfe, umgebaute Synagogen, Erinnerungen", sagte Bühler.

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