Gefahren für Menschen und Reben

BERNKASTEL-KUES. In den vergangenen 100 Jahren ist die Durchschnittstemperatur um 0,7 Grad gestiegen. Macht die Menschheit so weiter wie bisher, droht bis zum Ende dieses Jahrhunderts ein Anstieg um 5 Grad.

Mittwochnachmittag, kurz vor 13.30 Uhr: Das Thermometer zeigt knapp zehn Grad plus. Die Gedanken gehen in die Vergangenheit. Vor 20, 30 Jahren waren die Winter kalt, Niederschlag kam als Regen herunter, selbst an der Mosel war es den Kindern vergönnt, ausgiebig Schlitten zu fahren. Nichts ist mehr, wie es einmal war!Die Wetter- und Klimaforscher machen sich Gedanken über Treibhaus-Effekt und Kohlendioxid-Ausstoß. Die Wissenschaftler am Institut für Pflanzenschutz im Weinbau in Bernkastel-Kues forschen, wie Trauben, Reben und Böden auf die Klimaveränderung reagieren.Otte: Vieles ist noch Spekulation

Ulrich Otte, Leiter der Abteilung Landwirtschaft beim Deutscher Wetterdienst in Offenbach, und Michael Maixner, Institut für Pflanzenschutz, berichten beim Mosel Weinbautag über die Situation. Otte, der Sven Plöger vom Kachelmann-Wetterteam vertrat, nahm vor seinem Referat einiges an Schärfe aus der öffentlichen Diskussion. "Vieles, was derzeit medial aufgebaut wird, ist noch spekulativ", sagte.Nicht so der Blick in die Vergangenheit. Die Durchschnitts-Temperatur in Deutschland habe sich in den vergangenen 100 Jahren um 0,7 Grad erhöht. In den vergangenen 50 Jahren seien die Winter niederschlagsreicher und die Sommer trockener geworden. Der Experte veranschaulichte den mehr als 300 Zuhörern in der voll besetzten Mosellandhalle die Zusammenhänge zwischen Atmosphäre, Biosphäre, Ozeanen und Eisflächen.Sein Blick in die Zukunft lässt wenig Freude aufkommen. "Wenn es so weiter geht wie bisher, kann die Durchschnitts-Temperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts um fünf Grad hoch gehen. Wenn unverzüglich Vernunft einkehrt, werden es 1,5 Grad sein." Vermutlich werde sich der Wert in der Mitte einpendeln.Das habe natürlich Auswirkungen: Ernteverluste, Hitzestress beim Vieh, mehr Schädlinge und Krankheiten, mehr Waldbrände. Konflikte seien programmiert. Otte: "In Holland können die Deiche um einen halben Meter erhöht werden, in Bangladesh nicht." Vom Mangel an Trinkwasser und Lebensmittel ganz zu schweigen. Da ist es ein schwacher Trost, dass der Weinanbau nach Ottes Auskunft vermutlich zu den Profiteuren zählt.Doch auch den Reben drohen Gefahren. Schädlinge und Krankheiten, die bisher südlich der Alpen zu Hause waren, drängen nach Norden, sagte Michael Maixner. In Bernkastel-Kues habe die Durchschnitts-Temperatur in den vergangen 50 Jahren sogar um 1,8 Grad zugenommen.Mit weiteren Schädlingen ist zu rechnen

Von Mai bis August falle weniger Regen, während der Reifezeit im September und Oktober nehme die Niederschlagsmenge dagegen zu. Schäden durch Sonnenbrand, Hitze und Trockenheit träten mittlerweile regelmäßig auf. "Wir müssen im deutschen Weinbau mit verstärktem Auftreten bekannter und einer Reihe neuer Schädlinge rechnen", sagte er. Winzer und Forscher könnten aber reagieren, weil sich Schädlinge und Krankheiten nicht über Nacht breit machen.Ob es extreme Sommer wie den des Jahres 2003 in Zukunft öfter gibt? "Die Extreme werden zunehmen. Ob sie jedes Jahr kommen, muss ich aber sehr in Frage stellen." Die relativ zeitnahen Flutkatastrophen an Oder und Elbe, zwei Flüsse die auch räumlich nicht weit auseinander liegen, zeigten aber die Klimaveränderung.

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