Gerd Bayer forscht im Staub von Jahrhunderten

Gerd Bayer ist einer von rund einem halben Dutzend pensionierter Lehrer, die an der Wittlicher Realschule unterrichten. Der 71-Jährige hat ein Buch über seine Kindheit im Nachkriegsdeutschland verfasst.

 Der pensionierte Lehrer Gerd Bayer aus Bausendorf forscht in alten Akten über die Geschichte der Region und unterrichtet mit 71 Jahren noch immer an der Kurfürst-Balduin-Realschule. TV-Foto: Holger Teusch

Der pensionierte Lehrer Gerd Bayer aus Bausendorf forscht in alten Akten über die Geschichte der Region und unterrichtet mit 71 Jahren noch immer an der Kurfürst-Balduin-Realschule. TV-Foto: Holger Teusch

Bausendorf. (teu) Gerd Bayers Blick schweift über das Alftal, wenn er aus dem Fenster blickt. Ein großes Arbeitszimmer, ein Schreibtisch mit Mac, ein weiterer ohne Computer, ein Stehpult mit vergilbten Akten, eine Regalwand voller Bücher, Bilder in kunstvollen, historischen Rahmen an den Wänden und Berge mit alten Akten, das ist das "Reich" des Heimatforschers.

Die fast bodentiefe Fensterbank schmücken allerlei Mitbringsel, Fundstücke und Geschenke. Antike Tonschalen beispielsweise nehme er auch in den Unterricht mit, erzählt Bayer. Wenn man etwas in der Hand halte aus der Zeit, über die man lerne, behalte man die Zusammenhänge besser.

"Unruhestand" beschreibt gut den Zustand, in dem Gerd Bayer seit seiner Pensionierung lebt. Von der Arbeit mit Jugendlichen kann er ebenso wenig lassen wie von der Geschichtsforschung. Seit 2004 unterrichtet er stundenweise an der Wittlicher Kurfürst-Balduin-Realschule Geschichte und Ethik. "Es ist schön, wenn man noch so etwas machen kann", sagt der 71-Jährige.

Aber kommt er als Senior mit der heutigen Jugend klar? "Ich sehe da keinen Unterschied zu früher. Die meisten Kinder machen mit und sind lernwillig." Und wenn doch jemand den Unterricht stört? "Dann fahre ich zu ihm nach Hause und sage im Beisein aller, was los ist." Das sei wirkungsvoller als alles andere.

Im Gegensatz zu seinen Kindheitstagen sei die Jugend heute allerdings verwöhnt. "Ich habe mich immer geärgert, wenn Schüler ihre Butterbrote weggeworfen haben", erzählt Bayer. Die Unart inspirierte ihn dazu, ein Buch über seine Kindheit zu schreiben. Titel: "Arm, aber ziemlich glücklich". Das, was er aufgeschrieben habe, habe man in Nachkriegsdeutschland überall, nicht nur in seiner Geburtsstadt Koblenz erleben können. Bayer erzählt eine Episode: Einmal im Monat gab es bei der Schulspeisung ein winziges Stück Schokolade. Dieses durfte nicht gegessen, sondern musste zu Hause abgeliefert werden. An Weihnachten bekamen sie die gesammelte Schokolade - meist schon weiß angelaufen - wieder.

"Wir müssen jetzt für die nächste Generation arbeiten. Wenn wir das heute nicht machen, geht es verloren", begründet Bayer sein heimatgeschichtliches Engagement. Er erforscht die Geschichte von Kirchen, dokumentiert das Schaffen von Künstlern der Region wie das der Bildhauer Josef und Bernward Kickartz aus Wittlich und des in Enkirch lebenden Malers Josef Candels und erstellt Broschüren.

Richtig wohl fühlt sich Bayer, wenn er alte Akten durchforsten kann. Mehrere Quadratmeter Archivalien arbeitet er zurzeit auf. "Das ist teilweise unappetitlich. Da steckt der Staub von hundert Jahren drin", sagt er. Aber es bereitet ihm Freude. Zur PersonGerd Bayer wird am 1. April 1939 in Koblenz-Moselweiß als drittes von fünf Kindern einer Eisenbahnerfamilie geboren. Er erlebte die Nachkriegszeit als Schuljunge. Im Internat machte er Abitur, studierte anschließend Geschichte und Germanistik in Bonn und Koblenz. 40 Jahre lang (1964 bis 2004) unterrichtete er an der Realschule Zell. Dort und in Briedel wohnte er, bevor er mit seiner Frau 1990 in Bausendorf ein Haus kaufte. Seit seiner Pensionierung unterrichtet er stundenweise an der Realschule Wittlich. (teu)

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