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WITTLICH. Sechs Nationen, ab Sommer sind es acht, zählt die Kindertagesstätte am Jahnplatz. Bei der Integrationsarbeit machen auch die Mütter mit. Jetzt zeigten türkische Frauen, wie man einen "Henna-Abend" feiert.

Ihr alte Heimat ist Kasachstan. In ihrer neuen Heimat Wittlich lässt sich die Irina Voipjok von einer jungen Türkin einen Hennafleck auf die Handfläche malen. "Wenn das Gesundheit und Glück bedeutet, stört mich nicht, dass die Farbe so lange bleibt", sagt die Kasachin und wundert sich: "Ich wusste nicht, dass die Türkinnen ohne Kopftuch so schön aussehen." Irina Voipjok ist mit Müttern verschiedener Nationalitäten zu ungewöhnlicher "Kindergartenstunde" in die Turnhalle der Kita gekommen.In der Turnhalle schimmert Kerzenlicht

Türkische Frauen haben zu einem "Henna-Abend" eingeladen. Sie wollten zeigen, wie man in ihrer Heimat einen Junggesellinnenabend feiert. Später wird Heike Dehne, gerade aus Gießen zugezogen, sagen: "Da sieht man, dass die Kulturen zusammenwachsen können." In der Turnhalle schimmert zum multikulturellen Fest Kerzenlicht. Zu Musik, die europäischen Ohren fremd klingt, tanzt eine lange Reihe Frauen herein. Dazwischen die Braut in Rot. "Das Kleid ist ein Traum", flüstert eine Frau. Es wird geklatscht, glänzende Stoffe schleifen über den Boden, Pailletten blinken, lange Locken wippen im Takt und hochhackige Schuhe tänzeln über den Boden. Fatma Ucar "schnappt" sich ihre Nachbarin. Am kleinen Finger eingehakt wackeln die deutschen Mütter in der Runde mit. Männer haben heute keinen Zutritt. Genau wie an einem "echten" Henna-Abend. Fatma Ucar erklärt: "Am Abend vor der Hochzeit trifft sich die Braut mit Freundinnen und Familie. Es wird gefeiert, dann bringen die besten Freundinnen die Braut zur Mutter und übernachten bei ihr. Wenn die Braut unternehmungslustig ist, wird noch Unsinn gemacht. Wir sind auch schon mal in unsern Festkleidern noch zu McDonalds rein. Da haben die Leute geguckt!"Ein Goldstück von der Schwiegermutter

Nach der "Frauenparty" ist am nächstem Tag Friseurtermin, wozu der Bräutigam kommt. Dann wird das Hochzeitskleid angezogen und alle Verwandten fahren im Konvoi zum Fest. Die Ringe werden übrigens schon bei der Verlobung getauscht. Doch zurück zum Henna-Abend. Der hat seinen Namen nach der Sitte, dass die Braut und ihre Gäste sich die Handfläche mit einem Klecks des färbenden Pflanzenkrauts bestreichen. "Die Braut öffnet ihre Hand allerdings erst, wenn ihr die Schwiegermutter ein Goldstück hineingelegt hat", erklärt Fatma Ucar. Auch diese Zeremonie zeigen die Gastgeberinnen in der Kita bevor sie alle zu einem großen Buffet einladen. Am Tisch sitzt bei türkischem Tee eine Frau vom Fach. Nicole Rees ist Standesbeamtin und vom gezeigten Brauch beeindruckt: "Mir hat gefallen, dass Traditionen noch ausgelebt werden. Bei uns ist die Heirat am Standesamt eher eine formelle Sache, und die kirchliche Hochzeit findet oft gar nicht mehr statt. Ich frage mich, wie ein deutscher Polterabend in der Türkei ankäme?" Zerschlagenes Porzellan und Schnaps jedenfalls spielen beim Henna-Abend keine Rolle. Dafür gibt es zum Abschluss noch einen Bauchtanz. Sevgi Ceri mit den kleinen Rosen im Haar wirbelt an den Zuschauerinnen vorbei: "Let's go! Come on!", ruft sie ihnen zu. So ausgelassen hat Kindertagesstättenleiterin Michaela Habscheid die jungen Türkinnen vor einigen Jahren nie erleben können: "Sie waren immer sehr zurückhaltend. Dann haben wir türkische Tee-Nachmittage veranstaltet und auch Bauchtanzen angeboten." Das Eis ist dadurch längst gebrochen. Jetzt bauen die Erzieherinnen neue Brücken für die russischen Mütter. Es gab einen russischen Kochabend und Info-Kaffeestunden für russische Familien. Michaela Habscheid: "Wir geben Hilfestellung bei Arztbesuchen, helfen organisieren." Außerdem beschäftigt die Kita zwei zusätzliche pädagogische Fachkräfte, die türkisch und russisch sprechen. Ein wichtiges Wort konnte man am Henna-Abend lernen: Türkisch "Anne" heißt "Mama" - und: "Mama" rufen übrigens auch russische Kinder.

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