Geübte Gaumen für den Branntwein

Wittlich/Bernkastel-Kues · Damit die Schnapsbrenner auf ihre Branntweine eine Kammerpreismünze der Landwirtschaftskammer kleben dürfen, werden die hochprozentigen Getränke von Fachleuten getestet. Dabei wird „blind“ verkostet.

Schnaps ist Schnaps? Ganz und gar nicht. Das können die vier Prüfer, darunter eine Frau, die heute in der Landwirtschaftskammer sitzen und 25 verschiedene Mirabellenschnäpse bewerten, bestätigen. Denn jeder der hier aufgetischten Brände hat einen eigenen Geschmack, der eine ist etwas sanfter, der andere hat eine kleine Marzipannote, bei wieder einem anderen schmeckt man die Frucht sehr intensiv heraus. Fehltöne, wie beispielsweise ein muffiger Geruch, kommen heute kaum noch vor.

Dr. Stephan Reuter, Leiter des Weinbauamts Wittlich sagt: "Wir suchen ja hier auch keine Fehler, sondern bewerten die Qualität der Branntweine." Insgesamt werden innerhalb von zwei Wochen zwischen 250 bis 350 Brände in Wittlich probiert, je nachdem wie groß die Ernte war. In Wittlich werden Brände und Liköre der ehemaligen Regierungsbezirke Trier und Koblenz, das sind Mosel, Eifel, Hunsrück und Westerwald, getestet.

Dabei helfen 30 bis 40 ehrenamtliche Prüfer, von denen die meisten, selbst Schnapsbrenner sind. So wie Wolfgang Kuntz aus Lieser, der die dafür vorgeschriebenen Schulungen absolviert hat. Er berichtet: "Es ist zur eigenen Weiterbildung gut, und es ist interessant zu sehen, wo man selbst steht", erklärt er sein Engagement. Ehrenamtliche Prüfer für die Brennprodukte zu finden, ist dabei gar nicht so einfach, "denn viele haben Angst vor dem hohen Alkoholgehalt, denn man probiert schließlich 25 Brände, schon am Vormittag", so Reuter.

Weiter erklärt der Weinbauamtsleiter: "Aber das ist kein Problem, wenn man weiß, wie es geht: ausspucken und mit Mineralwasser nachspülen." Peter Greif, aus dem Saargau erklärt, wie er an die Schnäpse herangeht. "Ich habe die klare Frucht und deren Geschmack vor Augen, dann erkennt man auch die Qualität, die man vor sich im Glas hat." Vor jeder Prüfungsrunde werden die besten und schlechtesten Schnäpse des Vorjahres probiert, um sich den Geschmack noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, "denn Sensorik ist auch viel Übung", so die Meinung der Experten.

Die Prüfung selbst findet in einem Raum statt, indem die einzelnen Plätze, durch einem Sichtschutz voneinander getrennt sind. Eine Flasche Wasser, ein Teller Käse und ein Brötchen stehen bereit. Und ein Spuckbecken, denn keiner der Prüfer trinkt die edlen Getränke. Zunächst betrachten sie die Branntweine genau. Dann riechen sie daran, nehmen einen kleinen Schluck und prüfen mit Gaumen und Zunge. Wenn jeder Experte alle fünf Schnäpse eines Durchgangs bewertet, tragen die Prüfer die Ergebnisse vor. Wenn die Produkte zwischen zwei Qualitätsstufen stehen, wird über den Brand gesprochen und die Prüfer überdenken noch einmal ihr Urteil, bis eine Medaille feststeht.

"Im Durchschnitt bekommt je ein Viertel, Gold, Silber, Bronze oder eben keine Medaille", erklärt Dr. Stephan Reuter. Am häufigsten werden Kernobst, wie Apfel und Birne angestellt, gefolgt von Mirabelle und allem, was man aus Trauben brennen kann. Der Trend geht immer mehr zu sortenreinen Bränden, wie Boskop oder Elstar bei den Äpfeln. Typisch für die Mosel sind die Weinbergspfirsichbrände oder die Nelsche Birne in der Eifel.

Kuriositäten wie Viezbrände sind dabei, und Raritäten wie Gewürztraminertrester, der sehr intensiv schmeckt, und einen Rosenduft hat. So probiert, ist Schnaps tatsächlich nicht gleich Schnaps, sondern ein kreatives Getränk, das dem Brenner viel Können abverlangt.

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