Gewaltstopp in der Welt ohne Werte

Gräfendhron · Gewaltstopper heißt der Verein, der in Gräfendhron gegründet wurde. Die Mitglieder wollen Aggressionen von jungen Menschen mit speziellem Training (Anti-Aggressivität, Coolness) an den Wurzeln packen.

 Gewalt muss nicht sein! Wie man seine Aggressionen in den Griff bekommen kann, will der neue Verein mit dem Vorsitzenden Lutz Güldenberg vermitteln. TV-Foto: Claudia Szellas

Gewalt muss nicht sein! Wie man seine Aggressionen in den Griff bekommen kann, will der neue Verein mit dem Vorsitzenden Lutz Güldenberg vermitteln. TV-Foto: Claudia Szellas

Gräfendhron. "Das Aggressionspotenzial bei Jugendlichen steigt": Diese Erfahrung macht Lutz Güldenberg immer wieder. Im Gräfendhroner Jugendhof betreut der Pädagoge seit vier Jahren bis zu zehn Mädchen und Jungen, die verhaltensauffällig sind oder missbraucht wurden und deshalb in die Wohngruppe kommen. Ihr Erlebtes habe das aggressive Verhalten gefördert.
Mit besonderem TraiTraining lasse sich das eindämmen, glaubt Güldenberg "Wir müssen erreichen, dass die Jugendhilfe mehr akzeptiert wird und vor allem, dass Kinder lernen, mit Problemen umzugehen." Oftmals mache es sich die Gesellschaft zu einfach und schimpfe nur auf die bösen Jugendlichen, ohne zu bedenken, wieso sie so sind. Genau das ist Ziel des neuen Vereins für konfrontative Pädagogik mit Namen Gewaltstopper. Praktiker aus dem pädagogischen Bereich wollen das Übel an den Wurzeln packen. Institutionen wie LIVE-Soziale Chancen (Thalfang), die Arbeiterwohlfahrt Südwest und das Palais Eifel (Bitburg) haben sich angeschlossen. Kooperationspartner sind die Caritas Trier (Ambrosius Hort), das Haus Bergfried (Bausendorf) und der evangelische Jugendhilfeverbund Mittelmosel Traben-Trarbach/Wolf.
"Es ist gut, dass wir jetzt so einen Verein haben. Dort bekommen wir mit dem Training ein effektives Instrument, um gewalttätigen Handlungen entgegenzuwirken", sagt Wolf Rüdiger Pfalz vom evangelischen Jugendhof Wolf. Dabei steige nicht zwangsweise die Aggressionsbereitschaft. Die Hemmschwelle sei extrem gesunken. Pfalz: "Wenn wir uns früher geprügelt haben, kannten wir Grenzen. Die gibt es heute nicht. Selbst wenn einer auf dem Boden liegt, wird weitergemacht." Das liege an der ständigen Überforderung: Schulstress, wenig Zeit in der Familie, keine Geborgenheit.
Mit Hilfe von Anti-Aggressivitäts-Trainings (AAT) und Coolness-Trainings (CT) wollen ausgebildete Trainer jungen Menschen den Weg zu friedlichem Miteinander aufzeigen (Extra). "Dabei geht es immer darum, dass das Verhalten und nie die Person selbst in frage gestellt wird", erläutert Güldenberg. Der 15-jährige M. ist bereits in einem AAT-Kurs. "Eine gute Sache. Mir hilft das sehr", sagt er.
Gedacht ist die Arbeit des Vereins als Unterstützung der Kinder- und Jugendhilfe sowie für gefährdete Jugendliche. Güldenburg: "Es ist nicht damit getan, dass man Jugendliche wegsperrt. Man muss ihnen helfen. Wege aufzeigen, die Wut zu erkennen. Wir suchen Gespräche mit sozialen Einrichtungen, Richtern oder Sozialarbeitern, mit Eltern und Lehrern." Auch Schulen können das Angebot nutzen.
Generell sieht der Vorsitzende zwei Probleme: "Es gibt keine Werte mehr, da die Erwachsenenwelt sie nicht mehr vorlebt. Früher stand man als Punker für etwas ein, weil man gegen etwas war. Heute sind die Toten Hosen auf Platz eins der Hitparade und keine Bewegung mehr. Alles ist beliebig, alles läuft im Mainstream mit."
Grenzen gebe es nicht. Das sei oft Grund, warum vieles aus dem Ruder laufe. "Kinder wollen Auseinandersetzungen mit einer realen Person und nicht mit Internetleuten", weiß Güldenberg. Aber: "Die Auseinandersetzung wird nicht mehr gelebt. So entstehen Aggressionen." Diese Gewalt will der Verein stoppen.Extra

Anti-Aggressivitäts-Training (AAT): Es richtet sich an 14- bis 21-Jährige, die körperliche und seelische Gewalt ausüben oder Gewaltdelikte begangen haben oder als gefährdet gelten. Ziele des Trainings, das über 120 Stunden geht: Erkennen und Bearbeiten von Eskalation, Hinterfragen, Übernahme von Verantwortung, Vermittlung der These "Friedfertigkeit ist Ausdruck von Souveränität" und nicht Schwäche, Aufzeigen von Handlungsalternativen. Coolness-Training (CT) ist für die Zielgruppe ab sechs Jahren, die Gewalt als Konfliktlösung ansehen - sich gerne schlagen, andere einschüchtern oder bedrohen. Neid, Egoismus, Verweigerung und andere Verhaltensauffälligkeiten können hier vorliegen. In 13 Gruppensitzungen (je eineinhalb Stunden) und drei Veranstaltungen soll eine Gewaltprävention in Schule/Einrichtung erzielt werden. Pro-soziale Kompetenzen werden vermittelt, Täter werden sensibilisiert und die Selbstbehauptung gestärkt. jo

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