Gigantische Brücke - gefährdete Reben

WITTLICH. Ein Engländer aus Berlin macht sich Sorgen um die Mosel: Der renommierte Riesling-Experte Stuart Pigott hat in einem offenen Brief Verkehrsminister Hans-Artur Bauckhage attackiert. Sein Vorwurf: Der Bau der B 50neu könnte katastrophale klimatische Auswirkungen auf einige der berühmten Weinbaulagen an der Mittelmosel haben.

Der geplante Hochmoselübergang zwischen Zeltingen-Rachtig und Ürzig ist von dem englischen Weinjournalisten Stuart Pigott scharf kritisiert worden. "Ein Brücken-Monstrum, das die Schönheit der Mittelmosel unwiederbringlich zerstören wird", so wettert der "Weinpapst" in einem Beitrag für die Fachzeitschrift Wein Gourmet über die gigantische Betonkonstruktion, die in einigen Jahren den Fluss auf einer Länge von 1,7 Kilometer überspannen soll.Pigott geht aber noch weiter: Er befürchtet eine akute Bedrohung der Spitzen-Weinbergslagen in diesem Gebiet. Vor allem die Lagen Ürziger Würzgarten, Zeltinger Sonnenuhr, Wehlener Sonnenuhr und Graacher Dompropst könnten durch den Bau der B 50 neu unmittelbar betroffen sein, prophezeit Pigott."Als unbegründet und an den Haaren herbeigezogen", bewertet Dörte Büchel, Pressesprecherin des rheinland-pfälzischen Verkehrs- und Weinbauministeriums, diese Äußerungen. "Mit Ausnahme des Ürziger Würzgartens liegen die angesprochenen Weinbergslagen mehrere Kilometer von der Brückenachse entfernt", sagt Büchel.Doch nach Auffassung des Engländers geht das eigentliche Bedrohungspotenzial für die empfindlichen Reben nicht von dem Brückenbauwerk an sich, sondern von der Streckenführung der Zubringerstraßen aus.Weil die neue Bundesstraße auf einem sieben Meter hohen Damm die Wittlicher Senke durchqueren soll und dann durch einen Tunnel in die Ürziger Weinberge führen wird, seien Veränderungen des Mikroklimas vorhersehbar. "Dadurch wird kalte Luft aus der Wittlicher Senke in die Ürziger Weinberge fließen", argumentiert Pigott.Auch auf der Hunsrück-Seite rechnet er mit starken Beeinträchtigungen für das sensible Öko-System. Dort soll die Trasse der B50 neu in einem bis zu neun Meter tiefen Einschnitt durch den Wald oberhalb der Weinberge von Zeltingen, Wehlen, Graach und Bernkastel verlaufen. Durch den Straßenbau würden sich drastische Veränderungen für den Wasserhaushalt dieser vier Gemeinden ergeben, sagt Pigott und nennt als mögliche Folgen "nie gekannte Trockenschäden und noch extremere Moselhochwasser".Der in Berlin lebende Journalist kritisiert in diesem Zusammenhang, dass das Mainzer Ministerium Anträge örtlicher Winzer abgelehnt habe, die in einem Gutachten die Auswirkungen des Straßen- und Brückenbaus auf den Wasserhaushalt der Weinberge untersuchen lassen wollten.Diesen Vorwurf weist Dörte Büchel jedoch mit Nachdruck zurück. "Das entbehrt jeder Grundlage. Das Land hat im Vorfeld der Planung mehrere Klimagutachten erstellen lassen. Diese haben die Verträglichkeit des Bauwerks mit dem Klima im Moseltal eindeutig nachgewiesen", sagt die Ministeriums-Sprecherin. So habe unter anderem der Deutsche Wetterdienst die klimatischen Auswirkungen des Schattenwurfs der Hochmoselbrücke auf das Mostgewicht der umliegenden Rebflächen unter die Lupe genommen.Bei den Weinbauexperten vor Ort stoßen Pigotts Prophezeiungen auf ein geteiltes Echo. "In wieweit der Brückenbau Einflüsse auf das Mikroklima hat, das können wir nicht beurteilen", will sich Thomas Ambré, Marketingleiter der Winzergenossenschaft Moselland eG, an den Spekulationen nicht beteiligen. "Dass die Ästhetik des Tals aber leiden wird, ist klar.""Bedenken wurden nie offiziell entkräftet"

Deutlicher äußert sich Karl-Heinz Frieden, der Leiter des Weinbauamts Wittlich. Er vertritt die Auffassung, dass der Hochmoselübergang keinen qualitativen Einfluss auf die Erzeugnisse der benachbarten Weinlagen haben wird und verweist auf die Erfahrungen, die moselabwärts gemacht wurden."Von den Winzern, die in der Nähe der Moselbrücke an der A 61 bei Winningen wohnen, sind in dieser Hinsicht keine kritischen Stimmen zu hören", sagt Frieden.Anders beurteilt Ernst-Josef Kees die Situation. Der Ortsvorsitzende des Bauern- und Winzerverbandes von Graach hält Pigotts Befürchtungen für durchaus begründet.Er betont, dass aus seiner Sicht noch nicht geklärt wurde, wie sich der Bau der B50 neu auf die Wasserführung in Graach mit seinen Lagen "Himmelreich" und "Domprobst" auswirken wird. "Für die neue Trasse müssen große Waldflächen, die ein wichtiger Wasserspeicher sind, gerodet werden. Das könnte zu Problemen führen", sagt Kees. Er sieht deshalb durchaus die Gefahr, "dass unsere prädestinierten Lagen stark beeinträchtigt werden" und vertritt den Standpunkt, "dass die Bedenken, die einige Winzer vorgetragen haben, von offizieller Seite nie entkräftet werden konnten."Einige Winzer wollten sich schließlich gegenüber dem TV zu den Aussagen Pigotts überhaupt nicht äußern. Ob sie befürchten, dass der englische "Weinpapst" kritische Töne bei nächster Gelegenheit mit einer schlechten Beurteilung bestraft - diese Frage bleibt offen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort