Glaube im Alltag

Ich lese gerade folgende Zeilen im Psalm 130: "Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen". Die Wächter, die auf den Morgen warten, gibt es in keinem Ort mehr.

Aber: Meine Seele wartet auf den Herrn. Der Satzteil bleibt bei mir hängen. Wartet meine Seele auch? Auf wen und wer ist das? Kenne ich ihn, habe ich ihn schon erfahren? Ich ertappe mich dabei, dass ich in mich hineinhöre. Es scheint etwas mit mir zu tun zu haben. Meine Seele wartet, also ich warte. Tue ich das wirklich? Ich nehme mir Zeit, Zeit für mich, um dieser Frage nachzu-gehen. Ich muss also bei mir, bei meiner Seele, anfangen. Ein wenig zaudere ich, denn ich bin mir lange nicht so nahe gekommen, Fragen tun sich auf, aber es antwortet nicht. Ich gehe noch einmal zum Schreiber des Psalms zurück. Er ruft, ruft aus der Tiefe seiner Seele. Welche Sehnsucht muss dort liegen?! Er ruft zu diesem Unfassbaren, diesem unglaublich Fernen, er ruft aus seiner Situation und gibt sein ganzes Vertrauen hinein. Mehr hat er nicht, nur seine Not und sein Vertrauen. In dieser Situation hat er nicht viel zu bieten. Alles, was er hat an weltlichen Gütern, wird belanglos. Er hat nichts zum Tausch, kein Deal kommt zustande. "Ich habe und du gibst mir", klappt hier nicht. Es ist menschlich betrachtet eine verrückte Situation, sehr "ver-rückt". In seinem Vertrauen liegt seine ganze Hoffnung, erhört zu werden. Und ich? Ist mein Vertrauen auch so groß oder will ich doch handeln? "Schau, dieses und jenes habe ich schon geleistet": Der Psalmbeter berichtet nicht, ob ihm geholfen wurde. Alles offen? Ich denke, hier muss ich mich entscheiden, ob ich ohne Halteseil auf IHN zugehe - im Vertrauen nicht zu stürzen; und wenn doch, dass "SEINE" Hand mich hält. Wie geht es Ihnen damit? Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Tag. Rainer Marmann ist evangelischer Christ.

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